Evolutionäre Psychologie – Wissen um uns besser zu verstehen

Die Jagd spielte für den Menschen in der Urzeit eine große Rolle – auch heute tut sie es noch
Die asymmetrischen Geschlechtszellen bewirken unterschiedliche Verhaltensweisen
Mit Adaptationen passen sich Lebewesen den Erfordernissen der Umwelt an
Menschen wählen nach inneren Programmen die richtige Nahrung aus
Das Belohnungssystem im Gehirn macht uns Menschen glücklich
Stiefkinder kommen schlechter weg als die leiblichen Kinder
Die Phobien des Menschen sind urzeitliche Anpassungen
Wer seinen Nachwuchs verlassen kann der probiert es
Im Kibbuz sollte die Mutterrolle abgeschafft werden
In unserer Natur gibt es vier Fortpflanzungsmodelle
Trivers brillante Theorie eines Eltern-Kind-Konfliktes
Die Eltern investieren bei vielen Arten in die Jungtiere
Warum lieben Mütter ihre Kinder etwas mehr als die Väter
Der Fötus manipuliert den mütterlichen Organismus im Uterus
Der Mensch bevorzugte schon immer bestimmte Landschaftstypen
Der Verwandtschaftsgrad gibt oft den Ausschlag bei der Kinderfürsorge
Das Leben von Menschen und Tieren ist auf Erden vielen Gefahren ausgesetzt
Die Menschen verwenden Gewürze und lieben besonders die süßen und fetten Speisen
Evolutionär psychologische Mechanismen sind Verhaltensprogramme für die Problemlösung
Der Garcia–Effekt kippte den Behaviorismus und führte zum Aufstieg der evolutionären Psychologie

Adaptationen sind evolutionäre Tools um Probleme zu meistern !

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Evolutionäre Psychologie – Einführung

Menschen sind sonderbare Wesen

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Genüsslich beißt Kai in den Big Mac. Er hat Hunger jetzt und keine Zeit – deswegen isst er im Auto – beim Fahren. Er hat Glück! Die A 6 ist schon nicht mehr so überfüllt und die berüchtigten Baustellen mit ihren Staus hat er schon längst hinter sich gelassen. Er ist mit seiner Freundin verabredet heute und wie so oft, ist er viel zu spät dran. In letzter Zeit lief es irgendwie nicht mehr so rund zwischen den beiden; ständig hat sie was rumzumeckern an ihn – nichts kann er ihr recht machen; und ausgerechnet heute, ist er schon wieder nicht pünktlich. Na ja, denkt er, drück ich halt ein bisschen auf die Tube.

Wenn er in seinem GTI sitzt, ist er immer gut drauf; da fühlt er sich prima; der ist schwarz und tiefer gelegt – sein ganzer Stolz. Er liebt es, damit über die Pisten zu brettern – mit einem guten Sound im Ohr. Die Anlage in dem Schlitten ist ja auch wirklich etwas super Tolles.

Kai ist gerade an einer langen Lkw–Kolonne vorbeigezogen – die Tachonadel tanzt bei 185 – als es passiert: Gerade in dem Moment als er zum Pappbecher mit der Cola greift, landet sie auf seinem Handrücken – die Wespe. Wahrscheinlich hat sie ihn nicht einmal gestochen, aber er hat eine große Abneigung gegen diese Insekten – er kann sie einfach beim Tod nicht ausstehen – diese Biester…

„Mehr weiß ich nicht! Ich kann ihnen nicht mehr sagen! Ich hab einen totalen Filmriss! Ich kann mich nur an die Wespe erinnern, die plötzlich im Auto war”. Der aufnehmende Polizeibeamte, der Kai am Krankenbett besucht, macht ein bedenkliches Gesicht. Das kennt er: Jedes Jahr erleiden Mensche schwere Schäden oder kommen zu Tode, weil sie beim Fahren auf ein rumschwirrendes Insekt im Fahrzeuginnern regelrecht mit Panik reagieren, obwohl ein Wespenstich an sich eine völlig harmlose Sache ist – außer man ist Allergiker.

Aber warum reagieren und verhalten sich Menschen so? Wie ist es möglich, dass ein intelligenter Zwanzigjähriger, mit Abitur in der Tasche, die Autobahn entlang rast – mit voll aufgedrehter Stereo- anlage; essend und Cola trinkend dabei; bar jeder instinktiven Empfindung, welchem Risiko er sich und andere dabei aussetzt?

Und dann das krasse Gegenteil: Ein Insekt – schwarz und gelb –, beim Stich eine vorübergehende Lästigkeit erzeugend, löst beim plötzlichen Erscheinen im Innenraum des Fahrzeuges eine panikartige Abwehrreaktion aus, die für den Fahrer in einer Katastrophe endet.

Wesen des Menschen von Natur geformt

Liebe Besucherinnen, lieber Besucher! Auf diese und ähnliche Fragen, das Wesen des Menschen betreffend, möchte ich auf meinen Infoseiten zur evolutionären Psychologie Antworten geben.

Dass wir Menschen uns manches Mal so unlogisch verhalten, wie der junge Mann im obigen Beispiel, hat mit unserer biologischen Natur zu tun – unserem naturgegebenen Wesen –, das wir, unabhängig von unser Persönlichkeit, mit allen Individuen unserer Spezies gemeinsam haben. Dieses menschliche Wesen – von den Kräften der Evolution geformt – ist niedergeschrieben in unseren Genen. Dies bedeutet, das wir Menschen – wie alle anderen Lebewesen auch – schon mit vorgefertigten Programmen im Gehirn auf die Welt kommen.

Die evolutionäre Psychologie – eine noch relativ junge Wissenschaft –, versucht, mit wissenschaftlicher Akribie, den menschlichen Geist zu entschlüsseln und die Kräfte aufzudecken, die ihn geschaffen haben.

Ich habe auf diesen Infoseiten den Versuch gemacht, die umfangreiche und komplexe Materie Evolutionspsychologie so einfach wie möglich darzustellen. Mein Ziel war es gewesen, dem interes- sierten Leser einen Themenquerschnitt aus den verschiedensten Bereichen der evolutionären Psychologie vorzustellen – von der bescheidenen Hoffnung getragen, bei ihm ein wenig Ehrfurcht auszulösen und Erstauen –, über das wunderbare und geheimnisvolle Wirken der Natur.

Die Themenschwerpunkte Liebe und Sexualität tauchen hierbei allenfalls am Rande auf, weil ich sie schon auf der Seite Beziehungs–Theorie ausführlich behandelt habe.

Darwin schafft Basics für evolutionäre Psychologie

Charles Darwin

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Die evolutionäre Psychologie, eine Verschmelzung aus Evolutionsbiologie und Psychologie, ist angetreten mit dem Anspruch, den menschlichen Geist zu erforschen und die archaischen Programme zu entziffern, die uns seit Jahrmillionen unbewusst lenken und leiten. Ehrgeizige evolutionäre Psychologen wollen Antworten auf die Frage geben, warum wir Menschen so sind wie wir sind.

Schon der Engländer Charles Darwin, der Begründer der Abstammungslehre, wies in einem Schluss–Gedanken seines epochalen Werkes „On the origin of species by means of natural selection“ im Jahre 1859 indirekt darauf hin, dass der Mensch vermutlich denselben Kräften bei der Entwicklung unterworfen war, wie alle anderen Lebewesen auf Erden auch und dass die Zeit kommen wird, wo die Psychologie des Menschen auch unter einem evolutionären Blickwinkel gesehen wird. Zitat: Auf den Ursprung des Menschen und seine Geschichte wird ein Licht geworfen werden (Darwin, 1859, S. 458). Es hat lange Zeit gedauert, bis dieses Licht angefangen hat zu leuchten.

Obwohl Biologen und Psychologen schon zu Lebzeiten Darwins in wissenschaftlichen Veröffentlichungen, um das Jahr 1900 herum, evolutionäre Gedanken zur Psychologie des Menschen formulierten, war die Zeit damals einfach nicht reif, dieses revolutionäre Gedankengut auf fruchtbaren Boden fallen zu lassen.

Sigmund Freud

Sigmund Freud

Für den Arzt Sigmund Freud, den Begründer der Psychoanalyse, bestand das Wesen des Menschen hauptsächlich aus sexuellen und aggressiven Trieben. Mit seiner Trieblehre war er anfangs noch beeinflusst und inspiriert von Darwins Arbeiten. Später lehnte sich die Psychoanalyse sehr stark am Behaviorismus an – der besonders in Amerika einen großen Aufschwung er- lebte.

Dieser Weg, den Freud in der Psychologie mit seinem eher mechanistisch anmutenden Modell des menschlichen Seelenlebens vorgab, führte nicht da- zu, dass Psychologen sich verstärkt Gedanken über angeborenes mensch- liches Verhalten machten. Die psychoanalytisch orientierte Richtung domi- nierte die Psychotherapie zur damaligen Zeit und bestimmte somit auch sehr stark das Weltbild, das sich Geisteswissenschaftler im Allgemeinen vom Menschen machten.

Behavioristen schwören aufs Lernen

Hundedressur

Hundedressur ©lightpoet/ fotolia.com

Der Russe Iwan P. Pawlow lieferte die Basics für eine fundamentale Denkrichtung in der Psychologie, die in Amerika entstand und Jahrzehnte lang eine riesen Rolle spielte: der Behaviorismus.
Der Physiologe Pawlow konnte mit seinen legendären Hunde–Versuchen zeigen, dass Tiere fähig sind, eine körperliche Reaktion mit einem völlig neutralen Reiz zu verknüpfen: Erhielten Pawlows Hunde immer dann ihr Futter, wenn ein Signal ertönte, konnte man, nach ein paar Übungen, einen starken Speichelfluss bei den Tieren auslösen, alleine durch das Ertönen–lassen der Hupe. Die Hunde lernten Futter mit Hupen gleichzusetzen und ihr Körper reagierte dementsprechend – wie, wenn sie ihren Fressnapf schon vor sich hatten.

Diese Möglichkeit des Experimentierens führte in den psychologischen Disziplinen und in der Biologie zu einer wahren Flut von Versuchsreihen und der Vorstellung, dem Geheimnis komplexer Verhaltensweisen auf der Spur zu sein. Das psychologische Weltbild des Behav- iorismus prägte deshalb die Geisteswissenschaften im Amerika der 30iger Jahre; anfänglich war es der klassische Behaviorismus – später dann der radikale.

John B. Watson

John B. Watson

Der wichtigste Vertreter des klassischen Behaviorismus war der große amerikanische Psychologe John. B. Watson. Behavioristen vertraten die rigide Auffassung, dass von einem angeborenen Verhalten beim Menschen nicht groß die Rede sein konnte. Das Einzige, das sie gelten ließen, war die Möglichkeit von angeborenen, unspezifisch allgemeinen Veranlagungen, wie z. B. dem Lernvermögen, das für den Menschen als ausreichende Basis erachtet wurde, sein hochkomplexes Sozialverhalten während der Adoleszenz zu entwickeln. (Das Bild ist bei  biography.com veröffentlicht!)

Dem prägenden Einfluss des Milieus bzw. der Umwelt schrieb man bei der Herausbildung menschlicher Verhaltensweisen die Hauptwirkung zu. Die damalige psychologische Denkrichtung wird kurz und prägnant von Watson mit den Worten auf den Punkt gebracht: “Men are built not born”. Die Behavioristen hingen dem Ideal an – mit einem ausgefeilten Erziehungsmanagement – alle vorstellbaren Tugenden und Begabungen bei Kindern herauskitzeln zu können.

Skurrile Experimente

Mandrill

Mandrill ©Nejron Photo/ fotolia.com

Der größte Teil der amerikanischen Psychologen übernahm begeistert das Dogma dieser “Milieutheorie”, und es wurde noch enger gefasst durch den so genannten radikalen Behaviorismus, den Burrhus F. Skinner anführte. Durch Belohnen und Bestrafen konnte Skinner bei verschiedenen Tierarten die bizarrsten Verhaltensweisen konditionieren. Der Trainingsraum – in dem das Ganze stattfand –, wurde nach seinem Erfinder Skinner–Box genannt. Die Lehre von den bedingten Reflexen wurde zum psychologischen Dogma erhoben und man stellte sich menschliches Verhalten als eine komplexe Anei- nanderreihung erlernter Reflexe vor.

Die Behavioristen verfolgten in den Folgejahren akribisch diese lerntheo- retischen Ansätze und es gelang ihnen, einige wichtige Gesetzmäßigkeiten der Lerntheorie herauszuarbeiten, jedoch „verschwendeten” sie keine weite- ren Gedanken daran, dass wichtige Grundzüge des menschlichen Verhaltens vielleicht eine evolutionäre Basis haben könnten.
Parallel zum Behaviorismus entstand unter den Anthropologen der damaligen Zeit ein Kultur-Rela- tivismus, mit der Überzeugung, dass der Mensch als Kulturwesen ein Leben führt – in einer künstlichen Umwelt – in der die Gesetze der Biologie keine Gültigkeit haben.

Umdenken findet statt

Ironie des Schicksals war, dass in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts allmählich ein Umdenken unter Biologen und Psychologen einsetzte, das ausgerechnet von den Experimenten der Behavioristen selber angestoßen wurde: Forschungsergebnisse bewiesen eindrucksvoll, dass Tiere nicht in der Lage sind, jedes beliebige Verhalten gleichermaßen schnell zu erlernen. Man fand Abstufungen der Lernbereitschaften, die man nur als evolutionäre Anpassungen interpretieren konnte.

Nikolaas Tinbergen

Nikolaas Tinbergen

 

Einen entscheidenden Schub erlebten jene Denkmodelle, die tierischen Verhaltensweisen eine evolutionäre Basis einräumten, durch die Experimente der Verhaltensforscher Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen.
Der Österreicher Lorenz, der für seine Ergebnisse mit dem Medizinnobelpreis geehrt wurde, konnte eindrucksvoll aufzeigen, dass bei jungen Graugans–Küken ein Lernprogramm existiert, das wie mit einem Schnappschuss die Eltern im Gehirn abspeichert – unveränderbar und für immer; und dass dieses Lernprogramm angeboren ist und damit evolutionär. (Das Bild ist bei  nobelprize.org veröffent- licht!)

 

Lorenz l, v. Holst r

Lorenz l, v. Holst r

Auch der deutsche Physiologe Erich von Holst beschrieb schon viel früher einen interessanten Aspekt angeborenen Verhaltens bei Fischen. Sein Studienobjekt waren Aale, denen er durch einen Einstich das Rückenmark vom Gehirn trennte. Wenn, wie die Behavioristen behaupteten, alles Verhalten von Mensch und Tier erlernt sei, dürften die ihrer Nervenverbindung zum Gehirn beraubten Aale niemals schwimmen können, weil ihre erlernten Verhaltensweisen ja nicht an die Muskulatur hätten übertragen werden können. (Das Bild ist bei dullophob.com veröffentlicht!)

Die Aale konnten aber einwandfrei schwimmen, weil der komplexen Steuerung beim schlängelnden Schwimmen ein automatisches Programm zugrunde liegt, das spontan rhythmische Nervenimpulse erzeugt, genau wie die Muskeln sie zum Schwimmen brauchen. Es wurde hier ein „Nervenprogramm” im Rückenmark identi- fiziert, das über die Evolution durch Selektion entstanden ist und das ohne jedes Lernen funktioniert.

Harry Harlows herzzerreißende Experimente mit Rhesusaffen zeigten, dass künstliche Affenmütter aus Draht, obwohl sie Milch gaben, bei Gefahr von den Jungen nicht aufgesucht wurden.
John Garcia, Namensgeber des Garcia–Effekts, konnte nachweisen, dass Ratten sich unterschiedlich gut Situationen einprägen können und dass diese Lerndispositionen angeboren sind.

 

Irenäus Eibl-Eibesfeldt

Irenäus Eibl-Eibesfeldt

Der Österreicher Irenäus Eibl–Eibesfeld schließlich, ein Schüler von Konrad Lorenz, machte sich in den siebziger Jahren auf, angeborenes Verhalten beim Menschen zu identifizieren. Eibl–Eibesfeld, Begründer der Humanethologie, stellte menschliches Verhalten in den Kontext einer vergleichenden Verhaltensforschung.

Er beobachtete und filmte bei den verschiedensten Kulturen – in der Absicht – Verhaltensmerkmale zu identifizieren, die kulturunabhängig sind und die deshalb überall auf der Welt in gleicher Weise auftreten. Emotionen, die Menschen bewegen, wie Freude, Hass, Furcht, Trauer, Wut usw. erzeugen im Gesicht eine ganz charak- teristische Mimik, die durch Tonusänderungen der Muskulatur zustande kommt. Diese Gesichtsausdrücke werden von allen Menschen gleichermaßen verstanden; sie sind Universalien des menschlichen Ausdrucksverhaltens, weil sie bei allen Völkern und Kulturen dieselben entwicklungsgeschichtlichen Wurzeln haben. (Das Bild ist bei guenzl.net veröffentlicht!)

Neue Wissenschaft entstanden

David M. Buss

David M. Buss

All diese bemerkenswerten Ergebnisse ließen den Umstand nicht länger verleugnen, dass wir Menschen, genauso wie die Tiere auch, über Verhaltensprogramme verfü- gen – über Automatismen – die aus der Urzeit stammen und mit denen wir schon als Baby zur Welt kommen.

Die Erkenntnisse die sich daraus ergaben, führten in den siebziger und achtziger Jahren zum allmählichen Verschwinden des radikalen Behaviorismus in den Verei- nigten Staaten und zur Etablierung eines neuen Denkansatzes in der Psychologie. Dieser räumt dem Milieu zwar auch einen großen Einfluss auf menschliches Verhalten ein, doch darüber hinaus wird darauf verwiesen, dass unser Verhalten auch sehr stark von Komponenten beeinflusst wird, die stammesgeschichtlichen Ursprungs sind.

Der Wissenschaftszweig der evolutionären Psychologie war entstanden – jene Forschungsrichtung – die herauszufinden versucht, warum die Spezies Homo sapiens so ist, wie sie ist.

Das Bild zeigt den Evolutionspsychologen David M. Buss. Er ist Verfasser des Lehrbuches “Evolutionäre Psychologie”. (Das Bild ist bei  neworldreview.com veröffentlicht!)