Das Asthma bronchiale – die Online-Sprechstunde

Asthma bronchiale – wenn der Atem stockt

Gekonnt und schnell setzt Herbert die scharfe Schere an. Schnipp – Schnapp! Zielgerichtet trennt er Totes von Lebendem. Im Radio dudelt ein Schlager aus seiner Jugend. Herbert hat keine Probleme mit zu pfeifen und dabei – mit hochgestreckten Armen – an seinen tropischen Gewächsen zu hantieren. Stickig und feucht ist das Klima hier – Treibhaus-Luft eben. Aber mit seiner Luft – Gott sei Dank – da ist alles okay; da hat er keine Probleme; leider keine Selbstverständlichkeit bei ihm, denn Herbert leidet an Asthma – der chronischen Lungenkrankheit.

Es hat schon Zeiten gegeben da konnte er sich kaum in seinen geliebten Gewächshäusern aufhalten, weil das Feuchtwarme ihm den Atem nahm. Gerade fällt ihm etwas ein – etwas Ärgerliches: Er hat keine Wasseranschlüsse die auf die neuen Leitungen passen, die er verlegt hat. Es hilft nichts, er muss die Schere zum Ausschneiden seiner Epiphyten auf die Seite legen und zum Baumarkt – die Anschlüsse braucht er ganz dringend.

Der Blick aufs Schlüsselbrett lässt Ärger in ihm hochsteigen. Der Blick durchs Fenster bringt Gewissheit – tatsächlich – der Wagen ist weg. Wieder hat sich seine Tochter das Auto geschnappt – ohne zu fragen – und gleich ist Geschäftsschluss…so ein Mist! Neulich erst hat es einen riesen Streit gegeben – gerade deswegen.
Als er seine Frau im Waschhaus auftreibt, um sich bei ihr über diese Unverschämtheit zu beschweren, bringt er kaum ein Wort heraus: Die schwere Ausatmung lässt die Worte gepresst und mühsam klingen – Rasseln, Giemen und Pfeifen erinnern an einen Vogel, der krächzend am Ersticken ist…drei, vier Mal betätigt er den Drücker für sein Spray.

Asthma ist multikausales Geschehnis

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Sauerstoff hilft… ©Keith Frith/ fotolia.com

Wenn ein unbeteiligter Beobachter diese Szene in Herberts Familie miterlebt hätte – die Verwandlung eines gut gelaunten, gesunden Mannes in einen verärgerten, kranken – der wäre einhundert Prozent sicher, dass Asthma ein seelisch verursachtes Krankheitsgeschehen ist. Zu offensichtlich ist der Zusammenhang zwischen Aufregung, Ärger und Anfall. Aber das ist nur ein Teil des Ganzen! Asthma ist eine verzwickte Erkrankung: Eine multikausale Betrachtungsweise, die ein Ursachen- bündel bei der Krankheitsentstehung im Auge hat, wird der Realität am ehesten gerecht.

Asthma-Kranke leiden an einer Überempfindlichkeit der Bronchial- schleimhaut. Diese Überempfindlichkeit ist eine Disposition – eine Veranlagung – die wahrscheinlich eine genetische Basis hat. Asthma zählt deshalb zu den atopischen Erkrankungen, zu denen auch die Neurodermitis gehört – eine Hauter- krankung – sowie die Nesselsucht und auch der lästige Heuschnupfen.

Personen die an Asthma, Neurodermitis usw. leiden, bilden gegen gewisse Stoffe – die alle möglichen Substanzklassen umfassen können und die man als Allergene bezeichnet – Antikörper. Diese Antikörper, die vom körpereigenen Immunsystem produziert werden, befinden sich in großen Mengen in Haut oder Schleimhaut.

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Antigen-Antikörperreaktion ©cglightNing/ fotolia.com

Geraten sie in Kontakt mit „ihrem” Allergen bilden sie den so genannten Antigen-Antikörper-Komplex, der wie ein Fremdkörper im Zellgewebe wirkt und deshalb eine entzündliche Reaktion auslöst. Diese wird hauptsächlich durch Histamine verursacht – Gewebehormone – die durch Mastzellen freigesetzt werden. Spielt der entzündliche Reiz sich in den Bronchien der Lunge ab, kommt es zu einer Anschwellung der Schleim- haut und oft auch zu einer Verkrampfung der Bronchien. Eine mehr oder weniger starke Schleimproduktion vergrößert das Übel zusätzlich – die Atemwege verstopfen – und besonders die Ausatmung ist stark behin- dert. Ein Rasseln und Pfeifen ist dann auch ohne Stethoskop deutlich hörbar.

Außer durch Allergene kann ein Asthma-Anfall oder ein „Dauer-Asthma” auch noch durch eine Reihe anderer Faktoren ausgelöst werden – jedoch immer nur auf der Basis einer übermäßigen Sensibilität der Schleimhäute. Einer dieser Auslöser kann z. B. eine große körperliche Anstrengung sein, die mit einer stark forcierten Atmung einhergeht: Keuchende Ein- und Ausatmung führt sehr schnell zu einer Reizung und Abkühlung der empfindlichen Bronchien, die sich daraufhin verengen und Schleim produzieren. (Anstrengungsasthma).

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Hausstaubmilben ©Juan Gärtner/ fotolia.com

Kalte Luft einatmen kann auf die Bronchien denselben Effekt haben – der sich multipliziert, wenn das Ganze noch mit einer Anstrengung verbunden ist. Verschiedenste Stäube (Hausstaub, Mehlstaub usw.) können ähnlich auf die Bronchien wirken; desgleichen Rauch.

Oder Infekte der Luftwege mit Viren, Pilzen oder Bakterien: Ein empfindliches Bronchialsystem kann dadurch so stark gereizt und sensibilisiert werden, dass Asthma-Beschwerden parallel zu diesen Erkrankungen auftreten oder zeitlich versetzt – hinterher (Infekt-Asthma).

Und last not least können emotionale Faktoren, die ein hohes Erregungspotential besitzen, auf die Atemwege Asthma-Veranlagter „toxisch” wirken. Sozialängste, Ärger, Frustrationen, Trauer, Depression – ja selbst große Freude und sogar sexuelle Erregung können Auslöser für einen Asthma-Anfall sein. Ängste vor einem drohenden Asthma-Anfall können zu Spannungen führen, die der Körper als Stress empfindet und der rückwirkend tatsächlich einen Anfall in Gang setzen kann.

Immunsystem ist lernfähig

Schon seit langen ist Ärzten und Klinikern aufgefallen, dass die allergische Reaktion sich in einer Art und Weise verselbständigen kann, dass auch unabhängig von der Existenz eines Allergens ein Anfall provoziert werden kann. So kann es ausreichen einen Asthma-Anfall zu erleiden oder eine Heuschnup- fenattacke zu bekommen, allein schon bei der Vorstellung, dass ein bestimmtes Allergen in einer bestimm- ten Situation vorhanden sein könnte. Das Immunsystem reagiert bei einem Asthma-Anfall nicht nur auf die stoffliche Struktur eines Allergens, sondern auch auf das Allergen als spezifisches Symbol oder anders ausgedrückt auf den Bedeutungsgehalt den das Allergen für einen Betroffenen hat bzw. den er damit verknüpft.

Alle Lebewesen die eine Merkfähigkeit besitzen sind in einem gewissen Grade lernfähig. Lernen bedeutet, unter anderem, aus einer Situation Lehren ziehen zu können, um sich künftig noch optimaler verhalten zu können. Aus diesem Grunde entwickeln Lebewesen eine gewisse Erwartungshaltung – was bestimmte Situationen anbelangt. Diese Erwartungshaltung – die ein bestimmtes Ereignis vorwegnimmt – stimmt Geist und Körper auf die zu erwartende Situation ein. Das ist sehr clever – sind doch alle Körpersysteme dann schon im Voraus parat und aktiviert.

Das Immunsystem des Menschen macht darin keine Ausnahme. Es kann sich wahrscheinlich – auf eine bisher unbekannte Weise – im Vorfeld schon auf eine Attacke durch bestimmte Krankheitserreger einstellen; wenn es diese kennt und eine mögliche Infektion mit einer bestimmten Situation in Verbindung bringen kann.

Hat ein Immunsystem sich auf Allergene eingeschossen – an sich harmlose Substanzen – setzt es auch dabei seine „Gedächtnisleistung” ein und merkt sich die Situation, in der es mit dem Allergen konfrontiert gewesen ist. Treten zukünftig solche Situationen wieder ein, kann schon eine allergische Reaktion ablaufen, auch wenn das Allergen gar nicht vorhanden ist. So kann es einem Asthma-Patienten passieren, dass er in einer Kunstausstellung mit einem Gemälde konfrontiert wird, das eine blühende Sommerwiese zeigt und der Ärmste nach fünf Minuten sein Asthma-Spray braucht, weil er keine Luft mehr bekommt.

Immunsystem wird auf Pollenwarnung konditioniert

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Da läuft die Nase… ©Frank/ fotolia.com

So ist es für die vielen Pollen-Allergiker gar nicht günstig, wenn sie aus den Medien den Pollenflug abfragen – um sich darauf einzustellen. Die Heftigkeit einer allergischen Reaktion ist normalerweise mit der see- lischen Verfassung eines Menschen verknüpft und zwar in der Form, dass sie eine Verstärkung durch bestimmte Emotionen erfährt.

So können betroffene Personen manchmal eine Allergen-Dosis in der Atemluft tolerieren, die ihnen in einer anderen Situation einen heftigen Anfall beschert. Weil die Reaktionen keineswegs stereotypischen Mus- tern folgen, muss auch nicht zwingend ein Anfall eintreten. Wenn eine Person z. B. die Mitteilung erhält, dass am nächsten Tag eine kritische Pollensituation gegeben sein wird, wird sie mit einer hohen Wahrschein- lichkeit eine Heuschnupfen-Attacke bekommen oder unter einem Asth- ma-Anfall zu leiden haben, auch wenn die Allergene gar nicht so üppig in der Luft umherschwirren.

Personen die sehr unter solchen Geschehnissen leiden, können so einer Art selbst erfüllender Prophezeiung zum Opfer fallen. Um sich mental auf das Ereignis einzustellen werden die Pollenflug-Warnungen abgefragt und unbewusst so das Immunsystem konditioniert auf Meldungen die aus der Presse stammen – eine ganz und gar unglückliche Situation.

Umkonditionierung des Immunsystems

Interessante Versuche zu diesem Thema gibt es derzeit an den Unikliniken Düsseldorf und Essen. Kliniker wollen dabei herausfinden ob es Möglichkeiten gibt das Immunsystem zum Umlernen zu bewegen, so dass es auf ein Allergen weniger heftig reagiert oder gar nicht mehr.

Die Versuche laufen vereinfacht ausgedrückt so ab: Probanden – allesamt heftige Allergiker – bekommen ihr Medikament zusammen mit einer auffällig giftgrünen Flüssigkeit. Daraufhin kommt jedes Mal die allergische Reaktion zum Stillstand. Nach einer gewissen „Trainingszeit” erfolgt nur noch die Verabrei- chung der grünen Flüssigkeit – ohne Medikament. Die Ergebnisse sind sehr ermutigend, denn die basophilen Blutzellen, die als Marker für allergische Reaktionen gelten, fahren ihre Aktivität deutlich zurück – als Antwort auf die getrunkene grüne Flüssigkeit.

Unterfordertes Immunsystem

Mediziner und Immunologen rätseln seit langen über die Tatsache, wie es erklärbar sein könnte, dass in jüngeren Zeiten Allergien und Asthma-Erkrankungen so stark zugenommen haben. Umweltverschmutzun- gen wurden immer wieder als Ursachen angeführt, obwohl unsere Flüsse z. B. gegenwärtig so sauber sind wie seit ewigen Zeiten nicht mehr. Man hat Kinder in Gebieten der ehemaligen Sowjetunion auf Allergien untersucht, die in Gegenden aufwachsen müssen, die eine Umweltbelastung aufweisen, die für unsere Verhältnisse unvorstellbar ist. Das Ergebnis war, dass die Untersuchten eine geringere Allergie- rate aufwiesen als unsere Kinder. An einer Umweltbelastung, wie auch immer sie ausschauen könnte, wird es sehr wahrscheinlich nicht liegen.

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Zu viel Duschen ist
nicht gut ©Alliance/ fotolia.com

Wissenschaftler haben sehr starke Hinweise darauf, dass beim modernen Menschen wahrscheinlich ein viel zu viel an Hygiene Schuld am Amoklauf des menschlichen Immunsystems ist. Das Abwehrsystem von Mensch und Tier hat sich entwickelt über Hunderte von Millionen Jahre in der Auseinandersetzung mit Krankheitserregern und Parasiten – die immer schon das Leben auf unserer Erde bedroht haben. Die Effektivität und Aggressivität des körpereigenen Abwehrsystems ist deshalb daran angepasst eine Fülle aggressiver Mikroorganismen und Parasiten zu neutralisieren oder in Schach zu halten. Die Aggressivität des Immunsystems und die Aggressivität der Erreger halten sich dabei in etwa die Waage.

Kinder heutzutage wachsen in anderen hygienischen Verhältnissen auf wie Kinder vor fünfzig Jahren. Völlig andere Hygiene-Zustände exis- tierten aber vor fünfzigtausend Jahren. Die menschliche Evolution ist aber seit der Steinzeit nicht wesentlich vorangekommen, weil sie einfach unendlich lange Zeitspannen dafür benötigt – die seither noch nicht verstrichen sind. Unser Immunsystem ist – von haus auf – für ganz andere Aufgaben konzipiert; für Leistungen, die es heute in der Regel gar nicht mehr vollbringen muss.

Sehr wahrscheinlich ist unser Immunsystem unterfordert. Eine kampfstarke Armee die ständig im Wartestand ist und nichts zu tun hat – ist gefährlich. Zum Kämpfen geschaffen – und nur dazu – wird es ihr langweilig in modernen Zeiten und so sucht sie sich einen Feind, auch wenn es nur ein ganz mickriger ist.

Echter Feind

Vor Jahren stellte das Schicksal eines italienischen Jungen die behandelnden Ärzte vor eine riesige Herausforderung: Der Ärmste litt an einer polyvalenten Allergie; überempfindlich auf Hunderte von Substanzen gleichzeitig konnte er nur unter einem Zelt existieren – hermetisch abgeriegelt von der Außenwelt. Aus der Verzweiflung geboren hatte einer der Mediziner die rettende Idee das kindliche Immunsystem mit einem tatsächlichen Feind zu konfrontieren – um es aufzurütteln.

In einer wässrigen Lösung aufgeschwemmt führten sie dem Körper des Jungen Tausende von Spulwurmeiern zu. Spulwürmer sind – seit Millionen von Jahren – die parasitischen Begleiter der menschlichen Evolution. Immunsystem und Spul- wurm wetteifern und kämpfen seit unvorstellbar langen Zeiten um die Macht über den menschlichen Körper. Ergebnis der Auseinandersetzung: Unentschieden. Erst die hygienischen Bedingungen der Neuzeit und die entwickelten Medikamente gegen die Askaridiasis haben den Menschen zum Sieger gemacht.

Der bedauernswerte italienische Bub – mit seiner polyvalenten Allergie – profitierte aber von dieser erdgeschichtlichen Rivalität. Als die Spulwurmlarven in seinem Darm begannen sich in die adulte Parasitenform umzuwandeln ging ein regelrechter Schock durch sein Immunsystem. Der Hauptfeind war plötzlich wieder dar – der Gegner – der die ganze Hochrüstung einmal in Gang gebracht hatte. Das Immunsystem tat genau das, was man von ihm erwartete: Die zahllosen „Feinde“ auf den unübersehbaren Nebenkriegsschauplätzen wurden ab sofort ignoriert – um mit geballter Anstrengung den aufgetauchten Todfeind zu begegnen.

Asthma und Psyche

Schon seit langen weiß man, dass bestimmte Persönlichkeitsmuster unter Asthmatikern weit verbreitet sind. Es wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Wesenseigenschaften bei der Ätiologie des Asthmas eine bedeutsame Rolle spielen müssen; und sie tun es auch – wenngleich nach derzeitiger Vorstellung die Veranlagung zur Hypersensitivität der Bronchien sehr im Vordergrund steht. Es ist hier wie bei anderen „psychosomatischen” Erkrankungen auch: Eine ganz spezifische Persönlichkeit – die nur diese eine Erkrankung hervorbringen kann – gibt es nicht. So können die Wesensmerkmale zweier Individuen nahezu identisch sein, aber – der eine entwickelt ein Asthma – der andere nicht.

Sehr häufig weisen die Persönlichkeitsprofile Asthma-Kranker eine zentrale Konfliktproblematik auf, die auf ihre Zweierbeziehungen zielt: Asthmatiker haben ein Ambivalenzproblem was Nähe und Distanz anbelangt. Einerseits haben sie starke Bedürfnisse nach menschlicher Nähe und Wärme, andererseits überfordern sie gerade diese Situationen. Dieser Paradoxie liegt eine Störung der Mutter-Kind-Beziehung zugrunde. Das asthmatische Kind hat in der Regel eine Mutter der es schwer fällt, ihm gegenüber echte Wärme und Liebe zum Ausdruck zu bringen. Die Wünsche des Kindes nach Liebe und Zärtlichkeit bleiben daher in weiten Bereichen unerfüllt.

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Tja, was nun… ©lassedesignen/ fotolia.com

Kinder solcher Mütter lernen frühzeitig diese Bedürfnisse zu unterdrücken – obwohl sie starke Liebe zu ihren Müttern empfinden. Diese ungünstigen emotionalen Konstellationen können zu starken Aggressionen gegen das „Liebesobjekt” führen, die in der Regel von den Kindern unterdrückt werden. Treten doch einmal ernstere Zerwürfnisse auf, kommt es zu star- ken Ängsten, das Wenige an Nähe – das existiert – auch noch zu verlieren.

Diese frühkindlichen Beziehungsmuster bilden eine Art Prägeschablone für die Beziehungen im Erwachsenenleben. Ist die Basis für eine enge intime Beziehung gegeben, kann die „Asthma-Persönlichkeit” damit schlecht umgehen – aggressive Reizbarkeiten können die Folge sein und ein Anstieg der Anfallsbereitschaft. Zieht sich der Partner des Asthma-Kranken zurück, weil der Gefühlsaustausch zu flach wird und seltsame Irritationen Einzug halten, bekommt der Asthmatiker Angst und Panik die Beziehung zu verlieren. Die ängstlich angespannte Stimmung die sich einstellt, kann die Anfallshäufigkeit stark anheben – ein Teufelskreis.

Vater-Tochter-Konflikt

Kommen wir zu guter letzt noch einmal zu Herbert zurück – unserem Asthmatiker – aus der Eingangsepi- sode. Zwischen ihm und seiner Tochter Sibylle existiert so eine seltsame Ambivalenzbeziehung: Einerseits starke Liebe und andererseits Unzufriedenheit, verbunden mit einer aggressiven Grundstimmung. Herbert konnte es zeitlebens nicht seiner einzigen Tochter Zuneigung und Liebe offen zu zeigen. Er gehört zu jenem Typus Mensch der Zuneigung nur über Handlungen zum Ausdruck bringen kann. An solchen „Liebesbekundungen” mangelte es Sibylle in ihrer Kindheit nicht – aber sicher hätte sie sich ein emotio- naleres Verhältnis zu ihrem Daddy gewünscht.

Da dieser ihr das nicht geben konnte entwickelte sich zwischen den beiden eine Beziehung, die eher einen geschäftsmäßigen Charakter hatte. Sibylle verhielt sich meistens so, dass ihr Daddy zufrieden war. Dieser honorierte ihr Wohlverhalten auf seine Art – so wie er es gewohnt war Gefühle zu zeigen. Natürlich entwickelte das Mädchen auf dieser Basis keine tiefe Verbundenheit zu ihrem Vater – aber sie schätzte seine materielle Großzügigkeit sehr.

Probleme in ihrem Verhältnis traten spürbar zutage als Sibylle begann sich von ihrem Elternhaus zu emanzipieren. Herbert verspürte eine schleichende Entfremdung die zwischen ihnen Einzug hielt, als seine Tochter ihr Studium begann – weit entfernt von ihrem Elternhaus. Er entwickelte unbewusste Ängste seine Tochter „verlieren” zu können, da er glaubte, dass von ihrer Seite her keine tiefere Verbundenheit zu ihm existiert. Seine Befürchtungen vergrößerten sich noch, als sie sich mit einem Soziologiestudenten befreundete, den Herbert als völlig inakzeptabel einstufte.

Unerfreuliche Diskussionen bestätigten ihn, dass er im Begriff war jeglichen Respekt und jegliche Autorität zu verlieren. Wenn seine Tochter während der Semesterferien zu hause war, lauerte er ständig auf Respektlosigkeiten von ihr, um in ihnen seine Befürchtungen bestätigt zu bekommen. Diese innere Einstellung verunmöglichte mit der Zeit jeglichen zwanglosen Umgang der beiden miteinander. Wenn sie einmal für zehn Minuten sein Auto nahm, ohne ihn vorher zu fragen, interpretierte er diese „Respekt- losigkeit” unbewusst als ein Indiz dafür, dass er seiner Tochter inzwischen vollkommen egal geworden ist.
Die tief verborgenen Ängste und Aggressionen, die durch diese Reibereien an die Oberfläche kommen, führen zu Spannungszuständen die Asthma-Attacken den Weg bereiten.