Brutpflegestrategien – evolutionäre Psychologie

Eltern leisten Großes bei der Kinderaufzucht

Als ich neulich in der Badewanne lag, viel mein Blick auf eine der Ecken an der Zimmerdecke und da saß sie. Ich habe den Namen dieser Spinnenart jetzt nicht parat – aber jeder kennt sie: Sie sitzen in feinen Gespinsten an Wänden und Decken; bevorzugt in den Ecken. Ihr Leib wirkt zerbrechlich – fast transparent ist er und grau. Widerlich sind die vielen langen Beine. Dieses Tier scheint überhaupt nur aus Beinen zu bestehen. Egal! Mit „meiner” war jedenfalls etwas ganz Besonderes los; ich sah es nicht sofort: sie hatte Junge. Das Muttertier sitzt in so einem Fall unbeweglich an der Decke; wie tot; und um sie herum, im unsichtbaren Gespinst, kleben winzige Punkte – Dutzende. Sieht man genau hin, erkennt man, dass diese Punke sich bewegen – ganz langsam.

Die Spinnenmutter verharrt längere Zeit in diesem reglosen Zustand, um die Kleinen nicht durch Erschütterungen im Netz ins Trudeln zu bringen. Erst wenn die Brut größer ist und geschickter im Abseilen, wird sie ihre Mission beenden. Durch ihre reglose Anwesenheit gibt sie ihrem Nachwuchs Schutz; sicher ein wichtiges Element bei diesen Spinnen, da Artgenossen keinen großen Unterschied machen dürften – zwischen kleinen Fliegen und kleinen Spinnen.
Ein tierisches Familienidyll wirkt auf mich immer beeindruckend, sogar wenn es nur ein „spinniges” ist. Drum blieben die Tierchen samt ekliger Mama am Leben und verbreiteten sich, wer weiß wohin. 😉

Tiere haben Instinktprogramme

Tiere haben Instinktprogramme

Tiere haben Instinktprogramme ©Jürgen Fälchle/ fotolia.com

Aber: Warum verhält sich ein Tier so wie diese Spinne? Aus Mutterliebe? Schwer zu beantworten! Wahrscheinlich eher nicht. Solche Gefühle haben diese Krabbeltiere sicher nicht heraus- gebildet. Sie verhält sich so nach einem genetischen Programm; sie muss das so machen; sie kann gar nicht anders. Tiere werden von Instinkten beherrscht – je primitiver sie sind, umso stärker –, die sie zwingen, sich so oder so zu verhalten. Über viele Jahrmillionen hat die Evolution „herausgefunden”, was für die jeweiligen Arten am Erfolg versprechendsten ist, und es in ihren Genen eingestanzt.

Erfolgreiche Tiere sind in der Natur immer diejenigen, die es vermögen, eine maximale Anzahl von Nachkommen in die Welt zusetzen, von denen möglichst viele überleben, um selber wieder Nachwuchs zu zeugen. Dabei sind die Lebewesen lediglich Durchgangsstationen für die Gene, die durch die Fortpflanzung von Generation zu Generation springen und dadurch potentielle Unsterblichkeit erreichen.

Tiere haben nun verschiedene Strategien entwickelt, je nach Art und Lebensweise, Probleme, die sich bei der Fortpflanzung ergeben, erfolgreich zu meistern. Elterntiere – besonders die weiblichen – sind bei vielen Arten mit einem starken Fürsorgetrieb ausgerüstet, der sie zwingt, sich intensiv um den Nachwuchs zu kümmern. Beim Menschen ist es die Liebe, die Mütter zu ihren Kindern haben und die sie antreibt, alles zu tun, damit es ihrem Nachwuchs an nichts mangelt.

Zu diesem „Zweck” hat die Evolution in den Gehirnen der Mütter Verhaltensprogramme installiert, die sich bereits während der Schwangerschaft aktivieren und die das Bedürfnis wecken, Tag und Nacht für ihre Kleinen da sein zu wollen.

Ideologien berücksichtigen menschliche Natur nicht

In geschichtlichen Zeiten ergaben sich immer wieder Versuche, die Lebensweise des Menschen radikal verändern zu wollen, mit der Zielsetzung „Verbesserungen für die Allgemeinheit” zu erreichen. Träger dieser Neuerungen sind meist theoretische Konstrukte – Ideologien – die sich Chefdenker bestimmter Gruppierungen ausdenken. Die Basis solcher Ideologien stellen die Werte und Normen dar, denen sich diese Gruppierungen verbunden fühlen. Ideologische Wertesysteme sind zum größten Teil Produkte unseres neokortikalen Denkens – unserer Vernunft.

Das muss nicht generell was Schlechtes sein, aber neben unserer Vernunft besitzen wir Menschen noch unsere „tierische Seele”, die für unsere Gefühle und Motivationen verantwortlich ist. Dieser Teil in uns – unsere innere Natur bzw. unser Wesen – wurde in einem Jahrmillionen währenden Anpassungsprozess von den Kräften der Evolution geformt. Diese Natur in uns drückt – ob wir das wollen oder nicht – allen unseren Verhaltensweisen ihren Stempel auf.

Ideale oder Ideologien umzusetzen und zu verwirklichen wird dann schwierig und an Grenzen stoßen, wenn ihre Wertesysteme mit der inneren Natur des Menschen keine Übereinstimmung haben. Das kommunistische System ist unter anderem an dieser Problematik gescheitert: Die Menschen waren einfach anders, als die Chefideologen gedacht hatten. Die Gleichheit aller Menschen vorauszusetzen und darauf eine Staatsform zu gründen, war einfach ein Denkfehler – weil Menschen einfach nicht gleich sind; nicht gleich sein können.

Die Natur erzeugt keine gleichen Individuen. Gleiche Individuen lassen keine Evolutionsprozesse zu, weil Evolution immer auch Selektion braucht, um die „besseren” weiter kommen zu lassen – um sie dann noch „besser zu machen”. Unterschiede zwischen den Individuen sind unabdingbare biologische Voraussetzungen zu ihrer Weiterentwicklung.

Kibbuzbewegung als soziologisches Experiment

Die Kibbuzbewegung in Israel war eine spannende und interessante Sache – auch für Außenstehende –, die so Zeuge eines gigantischen soziologischen Experiments werden konnten. Angetreten war die Bewegung mit dem Anspruch, den Menschen verbessern zu wollen. Das Leben in einem Kibbuz der Gründerjahre war für eine junge Mutter eine schwierige und schwere Zeit.

An den treibenden Kräften, die in den Folgejahren eine radikale Kurskorrektur des Kibbuzlebens erzwangen, kann man ermessen, welche fundamentale Bedeutung die Mutterschaft für eine Frau hat. Dieses starke Bedürfnis, einen Säugling zu betreuen und ihm Liebe zu geben, ist unverrückbarer Teil der menschlichen Natur. Auch die stärksten ideologischen Triebfedern sind nicht in der Lage, dauerhaft eine Unterdrückung dieser übermächtigen Triebe zu erreichen.