Kopfschmerzen – der Spannungskopfschmerz

Kopfschmerzen aus unterdrückter Wut

Als bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 im Endspiel Frankreich gegen Italien der französische Mittelfeld- star Zinedin Zidane seinen italienischen Gegenspieler per Kopfstoß niederstreckte, sahen Millionen an den Bildschirmen, dass der Kopf eines Menschen auch eine Waffe sein kann.

Kopfstoßende Muffelwidder

Die stoßen sich die Köpfe… ©Photohunter/fotolia.com

Kopfstoßende Tiere gab und gibt es im Tierreich zur genüge. Nashörner z.B. sind wahre Kampfmaschinen und bearbeiten, einmal in Rage gebracht, selbst Fahrzeuge ohne Rücksicht auf Verluste.

Unter artgleichen Tieren kommt es aber nur höchst selten zu so genannten Beschädigungskämpfen – Duelle laufen bei ihnen nach genau definierten Regeln ab, die ernsthafte Verletzungen verhindern sollen. Skurril muten die Zweikämpfe bei den Steinböcken an: Mit Anlauf springen sie einander entgegen und knallen krachend ihre Schädel aufeinander.

Schon bei territorialen Fischen sind ritualisierte Kämpfe mit Kopfdrücken weit verbreitet – nach Einschüch- terungen durch Drohgesten geht es mit Rammstößen zur Sache – wobei buchstäblich die Fetzen fliegen. Werden Horn tragende Tiere allerdings von einem Freßfeind bedroht und geht es um Leben oder Tod, setzen sie ihre Spieße als Waffe ein – um ihr Leben zu verteidigen.

Mit dem Kopf durch die Wand

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… und die hier auch ©STUDIO GRAND WEB/fotolia.com

Da wir Menschen die unspezialisierteste „Tierart” auf Erden sind, sind auch unsere Verteidigungs- und Angriffswaffen relativ unspezifisch. Im Nahkampf besitzen wir eine breite Palette von Möglichkeiten einen Gegner zuzusetzen: Schlagen, Treten, Beißen, Kratzen, Würgen – sogar Spucken ist eine Möglichkeit der Aggression und natürlich auch das Stoßen mit dem Kopf.

Bei unseren Kleinen im Kindergarten ist diese Form der Auseinander- setzung häufiger zu sehen als unter Erwachsenen. Wie bei vielen anderen archaischen Mechanismen auch – die im modernen Menschen weiterhin existieren – hat der Volksmund Redewendungen auf Lager, die in ihrer metaphorischen Ausdrucksweise auf aggressives Sozialverhalten hinwei- sen.

Mit dem Kopf durch die Wand gehen oder jemand vor den Kopf stoßen sind solche Formulierungen, die jeder kennt.

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Wie ein Schraubstock… ©Syda Productions/fotolia.com

Um so etwas tatsächlich tun zu können, muss die Kopfmuskulatur sich maximal verkrampfen – um die nötige Härte zu erreichen. Zwischen Kopfhaut und Schädelknochen existiert eine Schicht quergestreifter Ske- lettmuskulatur, die unbewusst durch aggressive Impulse ihren Span- nungszustand dramatisch erhöhen kann.

Dasselbe gilt für Muskelschichten im Schläfen- und Stirnbereich. Die Muskulatur des Nackens kann – als Vorbereitung auf einen Kopfstoß – in den Prozess der muskulären Verkrampfung mit einbezogen werden – um für die nötige Steifigkeit des „Rammbockes” zu sorgen.

Es ergibt sich dann das Beschwerdebild eines Zervikalsyndroms, wie es andererseits auch aus einem Konflikt zwischen Dominanz und Unterwerfung resultieren kann. Auch hier hat der Volksmund wieder passende Redewendungen zur Hand: Unnachgiebige Personen verfolgen hartnäckig ihr Ziel oder verhalten sich äußerst halsstarrig. Der Zusammenhang zwischen aggressiven Bestrebungen und muskulären Reaktionen kommt hierbei erstaunlich gut zum Ausdruck. Diese Redewendungen haben selber eine „semantische Evolution” hinter sich, die keinesfalls bloßer Zufall ist.

In unseren Alltagsgesprächen benutzen wir diese Ausdrücke aber mit so einer Selbstverständlichkeit, dass uns dabei der tiefere Sinn entgeht, der dahinter steckt. Heutzutage steht der symbolhafte Charakter dieser volkstümlichen Sprachkonstruktionen ganz im Vordergrund: Wenn jemand sagt, eine andere Person habe ihn vor den Kopf gestoßen, wird er nur ganz selten eine Attacke im Sinne von Zinedine Zidane meinen. In dieser metaphorischen Art bringt man gewöhnlich zum Ausdruck, dass einem eine andere Person mit ihrem Verhalten brüskiert hat oder seelisch verletzt.

Spannungskopfschmerz als „eingefrorene Handlung”

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Ihm wird alles zuviel… ©lassedesigne/fotolia.com

Psychosomatische Symptome entstehen aus einem Zusammenspiel von genetischer Veranlagung, prägender Kindheitseinflüsse und auslösender Konfliktsituation. Ein Spannungskopfschmerz unterschiedlicher Schweregrade kann als die „eingefrorene” Vorbereitung auf eine Kopf- stoßattacke angesehen werden.

Eingefroren deshalb, weil die vom Körper vorbereitete Handlung nicht zur Ausführung kommt, da Hemmmechanismen wirksam werden, die die Endhandlung blockieren. Wird eine für Spannungs- kopfschmerz anfällige Person durch immer wieder auftretende soziale Situationen gedemütigt, frustriert und verärgert, treten im Kopf- und Nackenbereich Verspan- nungen auf, die sich chronifizieren können.
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Der „eingefrorene” Zustand würde „auftauen“, wenn die vorbereitete Handlung in die Tat umgesetzt werden könnte oder wenn die aufgestauten Aggressionen sich verbal entladen könnten.

 

So wie es normalerweise bei Tieren abläuft: Im Vorfeld eines Kampfes versuchen sie – aufs Äußerste angespannt – einen Gegner einzuschüchtern und durch Drohgesten in die Flucht zu schlagen. Misslingt dies, kommt es unweigerlich zu einer Auseinandersetzung, mit einem Sieger und einem Verlierer. Der Verlierer akzeptiert seine Niederlage und macht sich schleunigst vom Acker. Die hochgradige Erregung, die beide erfasst hat, klingt ab und die bis zum Zerreißen angespannte Muskulatur wird locker und entspannt sich. Bei einem ängstlichen, aggressionsgehemmten Menschen, unterbleibt jedoch jede verbale Auseinandersetzung mit seinem „Gegner”.

Die archaische Kopfstoß-Reaktion – als körperliche Alternative – kommt natürlich noch viel weniger in Betracht. Da in sozialen Belangen Unterlegene gewöhnlich nicht einfach die Flucht ergreifen können – wie ein im Rangkampf unterlegenes Tier – besteht der zwischenmenschliche Konflikt als chronischer Stress weiter und mit ihm die Spannungs-Kopfschmerzen; die Muskulatur des Kopfes bleibt „eingefroren“ – in Erwartung eines Kopfstoßes – der nie stattfindet. „Eingefroren” ist ein treffender Ausdruck – in doppelter Hinsicht: Erstens als Hinweis auf die stecken gebliebene intendierte Handlung und zweitens als Beschreibung für den Zustand der Muskulatur. Chronisch verkrampfte Muskelpartien können sich kühl bzw. kalt anfühlen, da versorgende Blutgefäße durch die Verkrampfung komprimiert werden und deshalb die Durchblutung leidet.

Derart vom eigenen Nervensystem malträtierte Muskeln stecken in einer physiologischen Zwickmühle: Der dauernd erhöhte Muskeltonus (Spannungszustand) führt, obwohl der Muskel nicht sichtbar arbeitet, zu einem erhöhten Stoffwechsel, den die verminderte Durchblutung schlecht abdecken kann. Die betroffenen Muskelpartien fangen an zu schmerzen und reagieren positiv auf Wärme und Massage. Der dauernde Reizzustand kann die Muskulatur aber auch entzündlich reagieren lassen, dann kommt es zu Wärme- und Hitzegefühlen, bei denen Kälte gut tut.

Wenn einem der Kamm schwillt

Sehr häufig klagen Patienten mit Spannungskopfschmerzen über eine als besonders unangenehm empfundene Schmerzempfindlichkeit der Kopfhaut. „Jedes einzelne Haar auf meinem Kopf tut mir weh”, ist so eine typische Aussage. Betroffene fahren sich oft mit abgespreizten Fingern durchs Haar und ziehen es dabei etwas in die Höhe – das bringt Erleichterung. Kopfschmerzen vom Typus Spannungskopfschmerz, die einen „eingefrorenen” Angriff darstellen, sind immer auch von unbewussten Drohgesten begleitet, wie sie im Tierreich gang und gäbe sind.

Man stelle sich z.B. zwei Kater vor, die um ein Revier streiten und sich belauernd in abwartender Haltung gegenüberstehen: Jedes einzelne Haar – bis in die äußerste Schwanzspitze – steht senkrecht; die struppige Erscheinung wirkt dadurch viel größer als sie in Wirklichkeit ist und gefährlicher. Solcherlei optische Vergrößerung ist bei uns Menschen nicht mehr möglich, weil uns während der Evolution das entsprechende Haarkleid abhanden gekommen ist. Aber bei unseren nächsten Verwandten – den Primaten – wird eindrucksvoll durch Sträuben und Anlegen der Haare Aggression und Unterwerfung zum Ausdruck gebracht.

Wir Mensch besitzen trotzdem noch die neurophysiologisch-muskulären Komponenten für diese Drohgesten: Bei Furcht bekommen wir eine Gänsehaut und es läuft uns eiskalt den Rücken hinunter. Unser schwach ausgebildetes Haarkleid reagiert noch wie vor Millionen Jahren – als wir noch mit stattlichen Pelzen ausgestattet waren. Ein kleiner Muskel an der Haarwurzel ist verantwortlich dafür: In gefährlichen Situationen – wenn Furcht uns befällt – kontrahiert er sich und stellt das Haar steil. Wir sagen dann, dass uns „die Haare zu Berge stehen” und meinen damit eine Situation, die uns bedrängt oder bedroht – uns in jedem Fall aber unannehmbar erscheint.

Eine interessante Bemerkung noch am Rande: Ein und dieselbe Verhaltensweise kann manchmal im Dienste verschiedener Funktionen stehen. Das Sträuben von Haaren und Federn hat in der Natur auch noch eine völlig andere Bedeutung: es ist ein guter Schutz gegen Kälte. Auch dieser archaische Reflex existiert noch in uns – ohne einen praktischen Nutzwert zu haben: Auf kalte Umgebungstemperaturen reagieren wir ebenfalls mit einer Gänsehaut – genauso, wie wenn wir uns fürchten würden.
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Die nutzlose Funktion des menschlichen Haaraufrichter-Muskels zeigt sehr schön, dass im Gehirn Programme beibehalten werden können – über einen sehr langen Zeitraum – obwohl die ausführenden Organe nicht mehr existieren bzw. funktionslos geworden sind.

 

Die Seite „Unser Gehirn konserviert viele uralte Programme” beschäftigt sich mit der Thematik evolu- tionär-psychologischer Verhaltensprogramme, die latent im menschlichen Zentralnervensystem vorhanden sind und die durch Erziehungssituationen in der Kindheit aktiviert werden können.

Macht und Machtlosigkeit der Eltern

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Jetzt reicht’s… ©fasphotographic/ fotolia.com

Menschen die im Erwachsenenalter zu Kopfschmerzen neigen, besonders zum Typus des Spannungskopf- schmerzes, sind während ihrer Kindheit sehr häufig widersprüchlichen Erziehungsmethoden ausgesetzt gewesen. Die Eltern zeichneten sich gewöhnlich durch ein hohes Maß an Intoleranz aus, was kindliches Verhalten bzw. Fehlverhalten anbelangte.

Sie reagierten übermäßig aversiv auf Lärm, den ihrer Sprösslinge verursachten und auf andere unerwünschte Eigenschaften, auch wenn diese kindertypisch waren und sich im Rahmen hielten. Wenn eine Mutter laut schimpfend von ihrem Sohn verlangt, dass er sich ruhig verhalten soll, erzeugt sie eine typische double bind Situation, die das Kind einer Widersprüchlichkeit aussetzt, die schlimme Folgen haben kann.

Die Botschaft die sie ihrem Filius vermittelt, geht so: „Mach was ich dir sage, tue aber nicht was ich tue. Das Kind verinnerlicht, dass, wenn man Macht hat, man auf jemand anderem schreien und schimpfen darf, um diesen zu zwingen, seinen Mund zu halten – weil es nicht okay ist, wenn man laut ist.”

Intuitiv erkennen die Kinder hinter dem Aus-Der-Haut-Fahren ihrer Eltern deren eigene Machtlosigkeit, weil es ein Zeichen von Schwäche ist, wenn Eltern sich so verhalten. Einem Kind erscheint seine Mutter dann als mächtig und machtlos zugleich. Dieses elterliche Reaktionsschema, das vom kindlichen Unterbewusstsein übernommen werden kann, wird im späteren Erwachsenenleben bei Rivalitäten, Streitigkeiten und in Konkurrenzsituationen entsprechende muskuläre Systeme des Angriffs und der Flucht parallel aktivieren. Da die Intentionen gegenläufig sind, kommt es zu muskulären Blockaden und dem Auftreten der oben angesprochenen „eingefrorenen” Aktion, die mit Verkrampfungen und Schmerzen einhergeht.

Mir platzt gleich der Kopf

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Oh Gott… ©ra2 studio/fotolia.com

Eine etwas andere Art von Spannungskopfschmerz ergibt sich aus der Tatsache, dass wir unser Zentralorgan überfordern können – durch allzu große Denkleistungen oder durch aufgestaute Gefühle. Unser Gehirn hat einen sehr hohen Stoffwechsel und deshalb einen hohen Sauerstoff- und Energieverbrauch. Etwa ein Viertel der gesamten Energie – die der Körper benötigt – werden für das Gehirn bereitgestellt.

Wenn nun die kognitiven Zentren der linken Hemisphäre stark überbe- ansprucht werden, über einen gewissen Zeitraum hinweg, weil man sich z. B. intensiv auf eine Prüfung vorbereitet, kann es zu einer Anhäufung von Stoffwechselprodukten zwischen den Nervenzellen kommen. Diese Stoffwechselprodukte können durch Wasseranlagerung zu einer leichten Schwellung des Gehirns führen und zu Kopfschmerzen.

Die Patienten beschreiben diese Zustände häufig mit dem Druck eines zylinderförmigen Gegenstandes, der von innen gegen die Stirn drückt – was auf so einen Schwellungszustand hindeutet. Starke Gefühle – häufig Wut – die durch Gedanken immer wieder aufs Neue entfacht werden, können durch Überforderung kognitiver und emotionaler Zentren zu ähnlichen Beschwerden führen.

Die Patienten haben hierbei die Vorstellung, dass die Entwicklung eines stürmischen Gefühls ihren Kopf zum Platzen bringen könnte; ähnlich einem Dampfkessel, bei dem das Ventil versagt und der übermäßige Druck dann zum Absprengen des Deckels führt. Unwillkürlich spannen solche Personen ihre Kopfmuskulatur an – besonders im Stirnbereich – um das Davonfliegen „ihres Deckels” zu verhindern.