Der Unterschied von links und rechts – Die Online-Beratung

Die Großhirnhälften steuern unser Verhalten unterschiedlich

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So sieht’s im Kopf aus ©V. Yakobchuk/ fotolia.com

Die Hominisation – also die Menschwerdung – angefangen bei primaten- artigen Vorläufern und gegenwärtig angekommen beim modernen Homo sapiens, ist vor allem auf die bemerkenswerte Entwicklung unseres Groß- hirns zurückzuführen. Dieses betreibt eine Art Arbeitsteilung, die man als funktionelle Asymmetrie bezeichnet.

Dabei erfüllt die linke Großhirnhälfte zum Teil andere Aufgaben als die rechte. Links sitzt unser Verstand mit der Fähigkeit zum logischen Denken und zum planerischen Vorgehen – während die rechte Hemisphäre unsere Gefühlswelt repräsentiert. Millionen Kabelverbindungen verschalten das Ganze zu einer Einheit.

 

Links beherrscht rechts

Außerdem – das ist ganz wichtig – herrscht eine linkshemisphärische Dominanz, das heißt, dass die linke Gehirnhälfte die rechte beherrscht oder zumindest doch beherrschen sollte. Diese Eigentümlichkeiten sind die entscheidenden Kriterien, die uns Menschen von einem Tier, wie z.B. einem Schimpansen, unterschei- den. Hoch emotionale Gemütszustände die unsere affenartigen Urahnen augenblicklich zum Handeln zwangen, können beim modernen Menschen durch die Kontrollfunktion der linken Hemisphäre so in der Schwebe gehalten werden, dass drängend erscheinende Verhaltensweisen verzögert bzw. abge- schwächt ablaufen oder sogar ganz unterbleiben können.

Dabei ergibt sich ein kurzes Zeitfenster, das eine Schnellanalyse der Situation erlaubt und ein gedank- liches Durchspielen verschiedener Verhaltensvarianten ermöglicht. Dies erlaubt uns Menschen, auch in prekären Situationen – mal mehr und mal weniger – einen kühlen Kopf zu behalten und nach unserer Ver- nunft zu handeln.

Das folgende Beispiel verdeutlicht die Interaktion der beiden Großhirnhemisphären:

Wenn mich meine Freundin so stark in Rage versetzt, dass ich vor lauter Zorn mit dem Aschenbecher den Glastisch zerschlagen möchte, ist dieses Verhalten stark ausdrucksorientiert und kommt aus der rechten Gehirnhälfte. Kurz bevor ich die Handlung ausführe, meldet sich die linke Gehirnhälfte zu Wort und erinnert mich daran, dass der Glastisch 990 Euro gekostet hat. Ich lasse daraufhin von meinem Vorhaben ab.

Vernunft ist eine „junge” Disziplin

So haben wir die Fähigkeit erworben, mit den vernunftgesteuerten Kontrollmechanismen der linken Hemisphäre, alte Verhaltensschienen aus grauer Vorzeit zu verlassen, um sie durch besser angepasste rationale Handlungen zu ersetzen – aber leider mit Einschränkungen:

Zum einen, weil dieses vernünftige Verhalten zwar die alten Verhaltensprogramme unterdrückt, es aber meist nicht schafft, deren emotionale Begleitmusik in Luft aufzulösen. So können wir Menschen in Situa- tionen geraten, in denen wir uns cool und nüchtern geben und mit der Weisheit unseres Verstandes genau das Richtige tun – während wir unseren Herzschlag bis im Halse spüren und die alten archaischen Programme schon lange den Fluchtreflex gestartet haben, der nun in einer sinnlosen Stand-by-Aktion im Leerlauf dreht.

Chronifizieren sich solche Situationen wird der Mensch krank, weil die rational angepassten Verhaltens- weisen den affektiven Begleitumständen die Ausdrucksmöglichkeiten nehmen und so Spannungszustän- de zurückbleiben – die das Vegetativum belasten. Oder noch drastischer: In emotionalen Ausnahmesitua- tionen wird unser Verstand regelmäßig von den Gefühlen überwältigt und dann übernehmen die alten Programme aus der Urzeit „sicherheitshalber” wieder das Ruder – ohne dass wir dies groß verhindern können.

Von seinen Gehirnfunktionen her ist der moderne Mensch weder Fisch und noch Fleisch. Das hat seinen Grund in der Tatsache, dass unsere Vernunft bzw. unser freier Wille eine relativ „neue Erfindung” der Natur ist, die noch keine hundertprozentige Standfestigkeit in Bezug auf die älteren Gehirnteile erreicht hat.

Der evolutionsbiologische Entwicklungsstand unserer vernünftigen Fähigkeiten stellt daher gegenwärtig eine Art Interimslösung dar – auf dem Weg zum Homo sapiens superior(?) der Zukunft, der sein Ver- halten und seine Gefühle vielleicht vollständig einer willentlichen Kontrolle unterwerfen kann.

Wie auch immer – die Besonderheiten unserer beiden Großhirnhälften sind der Grund für das breite Spektrum menschlichen Sozialverhaltens, das von unbeherrschten Wutausbrüchen bis hin zum „eiskal- ten” logischen Handeln reicht.

Diese funktionelle „Zweiteilung” des menschlichen Geistes drückt allen unseren Verhaltensweisen ihren Stempel auf: Unser Sozialverhalten wird nämlich immer gleichzeitig von zwei psychologischen Kompo- nenten determiniert – einer ausdrucksorientierten aus der rechten Hemisphäre und einer zielorientier- ten aus der linken. Ausdrucksorientiertes Verhalten ist immer authentisches Verhalten – d.h., eine Verhal- tensweise und ihr emotionaler Hintergrund stimmen überein.

Ein zielorientiertes Verhalten ist – wie der Name schon sagt, auf einen bestimmten Zweck hin ausge- richtet, den das Individuum erreichen will. Gemütsverfassung und Verhalten können sich dabei diametral gegenüberstehen. Reine ausdrucks- bzw. reine zielorientierte Verhaltensweisen sind selten, da einer Handlung gewöhnlich eine Mischmotivation zugrunde liegt.

„Falsch Sein” ist menschlich

Um diese doch sehr theoretische Betrachtungsweise besser zu verstehen, gebe ich Ihnen ein Beispiel:

Ich bin zu meiner Tante nett und freundlich, weil ich sie sehr gerne habe. Dieses Verhalten wäre nun ausdrucksorientiert, weil es mit meiner Gefühlslage übereinstimmt, die ich der Tante gegenüber habe. Mein Verhalten wäre authentisch.

Oder – ich bin zu meiner Tante nett und freundlich, obwohl ich sie eigentlich nicht so sehr mag, weil ich möchte, dass sie mich in ihrem Testament berücksichtigt. Dieses Verhalten, das mit meinem Inneren nicht übereinstimmt, wäre nun rein zielorientiert bzw. funktionalisiert, weil es nur auf einen bestimmten Zweck hin ausgerichtet ist.

Dann gibt es noch die Kombination aus eins und zwei – die in dem Fall die beste ist: Ich bin zu meiner Tante nett und freundlich, weil ich sie sehr mag und deshalb vererbt sie mir bestimmt etwas, gegen das ich nichts einzuwenden habe.

Die Vernunft braucht ein Gefühl

Das bisher Gesagte könnte zu einem Diskussionsthema über den freien Willen des Menschen werden. Gibt es so etwas? Kann ein Mensch sich frei, auch gegen seine Gefühle, für die eine oder andere Verhaltensweise entscheiden. Können wir über unser Leben selber frei und autonom bestimmen. Die Meinungen dazu sind kontrovers und vielgestaltig. Viele Neurobiologen sind der Meinung, die Existenz eines freien Willen bei uns Menschen ist eine Utopie – Geisteswissenschaftler aus der philosophischen Ecke sind gegenteiliger Ansicht.

Ich meine, wenn ein Mensch eine vernunftmäßige Entscheidung trifft, in einer gewissen Situation sich so zu verhalten und nicht anders, dann hat im Unterbewusstsein trotzdem ein gefühlsmäßiger Prozess stattgefunden, der das offensichtlich rationale Verhalten in die richtige Richtung geschoben hat – ganz unbemerkt.

Ein Diabetiker z.B. weiß ganz genau, dass er zuckerhaltige Nahrung vermeiden muss. Manche halten sich eisern daran – andere wieder nicht. Wie kommt so ein unvernünftiges Verhalten zustande? Ich denke, der eine, der Vernünftige, hat hinreichend Angst seiner Gesundheit zu schaden, wenn er Süßes ist. Diese Angst ist unbewusst immer da und verhindert, dass er übermäßig sündigt. Der andere sieht das nicht so eng; er kennt Beispiele anderer Diabetiker, die auch nicht so streng zu sich selber waren und trotzdem ein gewisses Alter erreicht haben.

Diese Einstellung verhindert bei ihm die Angst vor etwaigen Folgen und deshalb lässt er sich sein Tortenstückchen eben schmecken. Man könnte auch sagen, dieser Mensch hat sich innerseelisch eines Mechanismus bedient seine Angst zu verringern, um sein schädliches Essverhalten beibehalten zu können; er hat seine Angst erfolgreich verdrängt.

Oder eine verheiratete Frau; zwei Kinder; der Ehemann mit eigener Firma, die sie mit aufgebaut hat und in der sie eine erfüllende berufliche Tätigkeit findet; hat sich im Tennisverein fremdverliebt. Nach Dramen und endlosen Streitereien hin und her, hat sie die Fremdverbindung abgebrochen und ist bei ihrem Ehemann geblieben. Eine rein vernunftmäßige Entscheidung – wie sie betont. Aber hat hierbei wirklich die Vernunft gesiegt? Ich glaube es nicht! Sie hat eine gefühlsmäßige Entscheidung getroffen für ihren Ehe- mann – aber natürlich nicht aus Liebe.

Diese Frau hat innerlich alles gegeneinander aufgerechnet und, am Ende war die Unsicherheit und die Angst alles aufzugeben größer als ihre Liebe gewesen und deshalb hat die Vernunft „gesiegt”.

Reden und Jammern hilft nicht

Diese Seite meiner Webpräsenz ist aus dem Bedürfnis entstanden, anhand der Besonderheiten unseres Gehirns aufzuzeigen, warum es einem Beziehungspartner so schwer fällt, sich nach den Wünschen seiner besseren Hälfte zu richten. Stimmen die Vorstellungen und Wünsche die beide mit der Beziehung ver- knüpfen annähernd überein – ist natürlich alles Bestens.

Soll aber einer dauerhaft sein Verhalten verändern, weil sonst z.B. der Haussegen schief hängt, dann kann das nicht klappen, wenn es nur aus „rationalen” Beweggründen geschieht und keine emotionale Basis dem Ganzen zugrunde liegt. Oder eleganter ausgedrückt: Die von seiner Frau gewünschte Verhal- tensweise wird sich bei ihm nicht etablieren, wenn zwischen den beiden ein eklatantes Machtgefälle existiert – das zu ihrem Ungunsten ausfällt.

Deswegen bringt auch das „Einreden” auf einen beziehungsfaulen Ehemann nichts, selbst wenn er sich anfangs noch aufgeschlossen ihren Wünschen gegenüber gezeigt haben sollte. Ein Auf-Ihn-Einreden und Unter-Druck-Setzen – meist immer öfter und immer drastischer – verschlechtert die Situation nur noch weiter, weil in der Beziehung er der Dominante ist.

Will die Frau nachhaltig in ihrem Sinne eine Verbesserung der Beziehung erreichen, muss sie bei sich selber ansetzen und Verhaltensänderungen in die Wege leiten – die dann rückwirkend auch sein Verhal- ten beeinflussen können. Nur über diesen indirekten Weg kann eine Ehefrau bei ihm etwas erreichen. Eine direkte Einflussnahme ist leider nicht möglich; er „kann” sich nicht „besser” verhalten, wenn nicht eine neue Bedürfnislage in seinem Bewusstsein geschaffen wird.

Um noch einmal auf das obige Beispiel zurückzukommen – das mit dem Neffen – der seiner Tante schmeichelt, um sie beerben zu können: Das Bedürfnis sich anders zu verhalten als es seinen Gefühlen ent- spricht, kommt hierbei natürlich durch den starken Wunsch zustande, einen Batzen Geld auf dem Konto zu haben, wenn die Tante einmal das Zeitliche gesegnet hat. Diese Vorstellung ist hoch motivierend und liefert die Energie, derart bühnenreife Darstellungen inszenieren zu können.

Falsch sein erfordert Cleverness

Sehr wahrscheinlich haben diese – negativ zu bewertenden – menschlichen Eigenarten in unserer erdgeschichtlichen Vergangenheit mit zur Evolution unseres Großhirns beigetragen, weil die Fähigkeiten zu Manipulation und Täuschung wiederum Strategien des Enttarnens und der Unwirksammachung nötig gemacht haben.