Frage zum Thema „Kontaktsperre“

Was ist wenn Verlassende während der Kontaktsperre den Kontakt suchen?

Herr Manfred K. schreibt: „Hallo Herr Ittner, es läuft gut, Sylvia hat sich schon nach knapp vier Wochen Kontaktsperre wieder bei mir gemeldet und gefragt, wie es mir denn so geht. Auch will Sie demnächst mit mir mal einen Kaffee trinken. Jetzt weiß ich wirklich nicht, was ich machen soll, die Kontaktsperre ist ja noch gar nicht abgelaufen?”

Um dieses „Problem”, das oben der Manfred hat, würden ihn viele Verlassene beneiden. Dass ein Verlassender sich von selber während der Kontaktsperre meldet, ist der sehnlichste Wunschtraum aller Unglücklichen; und hin und wieder geschieht dieses Wunder.

Wenn Verlassene in der Endphase einer Beziehung sehr stark um ihre Partner kämpfen, ihnen immer wieder die eigene, große Liebe unter die Nase halten, ständig auf der Matte stehen, E-Mails schreiben, machen und tun, dann stellt das für das Nervenkostüm der geplagten Trennungswilligen einen ziemlichen Stressfaktor dar. Diese Nervereien bestärken sie letztendlich nur in ihrer Vorstellung, dass es an der Zeit ist, die wenig prickelnde Beziehung zu verlassen…
Haben sie sich dann getrennt, weil ihre Gefühle am Nullpunkt sind bzw. weil ihnen alles zu stressig geworden ist oder weil sie etwas Neues in Aussicht haben, haben sie natürlich nicht das geringste Interesse, sich alsbald wieder bei ihren alten Partnern zu melden. Es kann Wochen dauern bis sie das Vorgefallene etwas vergessen und anfangen manches in einem anderen Licht zu sehen.
Für Außenstehende scheinen diese Beziehungskämpfe und Krämpfe eher auf das Konto des schließlich Verlassenen zu gehen, weil die es ja sind, die sich oft aufführen wie vierjährige Kleinkinder, die am Rockzipfel ihrer Mutter hängen und Angst haben, den ersten Tag im Kindergarten alleine verbringen zu müssen 😉 .

Aber in Wirklichkeit sind nicht sie schuld an dem ganzen Drama, sondern das schiefe Beziehungsgleichgewicht. Dieses Beziehungsgleichgewicht ist mit der Zeit verrutscht, immer weiter verrutscht, und dabei immer schiefer geworden. Es hat den Verlassenen langsam in das besagte Kleinkind verwandelt, mit all seinen typischen Reaktionsweisen und Anklammerungsreflexen. Der Andere, der Verlassende bzw. der potentiell Verlassende, ist durch die fortwährende Verschiebung der Beziehungsmacht zu einem „Monster” mutiert, einem Monster an Gefühlskälte und Empathielosigkeit. Aber viele Außenstehende sehen in dem potentiell Verlassenen den Schuldigen, oft jedenfalls, weil dieser durch sein Anklammerungsverhalten und durch seine Vorwürfe den Anderen geradezu davon getrieben hat.
Aber der Andere, der geht, ist nicht so „unschuldig” wie es den Anschein hat, nur weil er es schafft, sich so ruhig zu geben und so nüchtern; jedenfalls meistens. Diese Nüchternheit ist sein eigener Anteil an der Misere – sein Expartner würde sagen seine Gefühllosigkeit. Dieser Mangel an großen Gefühlen ist es nämlich, der seinen Partner so verrückt macht und ihn zu irrationalen Taten treibt. Beide Protagonisten hängen in ihren Ecken fest: Der Nüchterne wird immer nüchterner, weil sein Gegenspieler immer mehr aufdreht und immer verzweifelter wird. Aus dessen Sicht ist seine Verzweiflung nur deshalb so groß, weil der Andere immer so nüchtern und kopfgesteuert ist…

Keiner hat Schuld, denn beide sind sie die Opfer der Polarisation geworden. Sind diese Kreisläufe erst einmal gestartet, schafft es kaum einer diese Karussells wieder zu stoppen – oft bis zum bitteren Ende nicht.

Hat ein Paar diesen ganzen Mist durch und ist schließlich getrennt, sehnt sich der „Nüchterne” natürlich nicht nach seinen „hysterischen” Ex – was ja auch vollkommen verständlich ist! Aber eine strikte Kontaktsperre sorgt mit der Zeit dafür, dass der Nüchterne seine Nüchternheit etwas verliert und anfängt hin und wieder an seinen Expartner zu denken. Hat sein Ex auch noch einige andere Qualitäten besessen, als bloß einen „hysterischen Charakterzug”, wird sich der Verlassende nach Wochen der Kontaktlosigkeit daran erinnern. Auch kann sich in ihm allmählich die Einsicht verstärken, dass er selber einen ganz gehörigen Anteil an der Problematik hatte. Manchmal verspüren Verlassende so etwas wie Sehnsucht oder Langeweile, weil ihr fehlender emotionaler Widerpart mit seinen starken Gefühlen auch für Leben in der Beziehung gesorgt hat. Viele dieser Nüchternen lebten nämlich buchstäblich durch die starken Gefühle ihrer Partner, die ihnen Liebe und Aufmerksamkeiten ohne Ende schenkten. Mit der Zeit kann sich da sehr leicht ein gewisser Mangel bemerkbar machen…

Natürlich wurde zum Schluss zu alles übertrieben und der Verlassende hat ja auch nicht mehr gewollt oder gekonnt, aber wenn ihn in der Verbannung der Kontaktsperre der Fluch der Langeweile trifft – natürlich nur, wenn nicht eine neue Liebe ihn beflügelt – kann er vielleicht etwas die Aufmerksamkeit vermissen, die er sonst immer im Übermaß geboten bekam. Eingestehen würden sich Verlassende das natürlich nie, weil sie sich komisch dabei fühlen und blöd; und es ist ja auch irgendwie seltsam, wenn man bereits nach ein paar Wochen denjenigen vermisst, den man vor kurzem nicht mehr sehen konnte 😉 .

Je schneller und schmerzloser eine Trennung abläuft, desto eher können Abtrünnige wieder von sich aus in der Zeit der Kontaktsperre „anklopfen”. Bei Manfred war das der Fall gewesen, weil er sich in der Endphase seiner Beziehung Coachen hat lassen. Das Ende war deshalb ziemlich „schmerzlos” und hat in seiner Freundin keine großen seelischen „Kollateralschäden” verursacht. Darum hat sie auch schon nach kurzer Zeit eine Wendung in Manfreds Richtung gemacht. Aber Sylvias Gefühle werden zu diesem Zeitpunkt noch auf niederem Niveau dümpeln und sind jederzeit wieder von Auslöschung bedroht – sollte sich Manfred ungeschickt verhalten.

Er darf sich deshalb ihr gegenüber nicht das Geringste anmerken lassen. Sie darf nicht erahnen, dass er sie noch immer sehr stark liebt und unbedingt zurück haben möchte. Sylvia muss den Eindruck bekommen, dass er sich mit der Trennung abgefunden hat und nun dabei ist, sich zu entlieben. Wenn sie ihn kontaktiert und ein Treffen vorschlägt, darf er deshalb nicht sofort begeistert „Ja” sagen. In besagter Woche hat er jedenfalls schon einmal keine Zeit. Höflich wird er anmerken, dass sie sich gerne einmal treffen können, wenn es zeitlich bei ihm passt. Einen Terminvorschlag wird er ihr in Bälde machen. Die Woche drauf wird sie fest mit einer SMS von ihm rechnen, aber Manfred sollte sie enttäuschen und warten lassen. Dies wird sie gedanklich etwas beschäftigen und ihre Gefühle ein klein wenig anwachsen lassen. Wenn er dann unverfänglich die übernächste Woche auf sie zukommt, hat er die Zeit seiner Kontaktsperre fast schon erfüllt.