Der nette Mann (nice guy) – Die Online-Beziehungsberatung

Nichtmachos haben’s sooo schwer

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The nice guy… ©CURAphotography/ fotolia.com

Sven ist ein außerordentlich netter junger Mann, 23 Jahre alt und Student der Betriebswirtschaft. Er ist sehr beliebt und hat einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, unter dem auch viele Mädchen sind. Ja, eigentlich kann man sagen, dass er mit Frauen sogar besser auskommt als mit Männern.

Mädchen schätzen seine freundliche, hilfsbereite und zuvorkommende Art. Manchmal geben sich die Studentinnen die Klinke in die Hand, um mit Sven ihre großen und kleinen Probleme zu besprechen – denn der hat immer den richtigen Rat parat und findet immer die richtigen Worte, um Trost zu spenden. Der nette Mann ist eine Perle in der Männerwelt, in der es von Machos und Egoisten nur so wimmelt.

Aber Sven ist aber einigermaßen verzweifelt, weil es ihm einfach nicht gelingen mag, eine dieser hübschen Studentinnen für sich zu gewinnen. Seine letzte Beziehung zu einer Frau liegt schon Jahre zurück. Er war deshalb schon beim Studentenpsychologen, der aber auch nichts Gescheites zu sagen wusste und ihm den Rat mit auf dem Weg gab, einfach noch etwas Geduld zu haben – die richtige werde schon noch kommen.

Manchmal überfällt ihn ohnmächtige Wut auf die Frauenwelt, wenn er sieht, wie unmöglich manche Kommilitonen mit ihren Freundinnen umspringen – und sie sich wegen solcher „Deppen” noch die Augen ausweinen und Sven dann ihr Leid klagen.

Welche Erklärungen kann man nun zu dem Problem des netten Mannes machen? Ganz einfach: Der nette Mann ist zu den Mädchen viel zu nett!

Denn – Frauen wählen, vom Gesichtspunkt der Evolutionsbiologie aus betrachtet, einen Liebespartner nach zwei Grundsätzen aus: Erstens sollte er über gute Gene verfügen und zweitens sollte er fürsorglich und beziehungstauglich sein. Letztere Prämisse erfüllt der nette Mann natürlich zu einhundert Prozent.

Stark und frech muss er sein

Aber, kann man denn nun sagen, dass der nette Mann keine guten Gene hätte? An diesem Punkt wird es nun hoch „evolutionspsychologisch”! Gute Gene kann man einmal äußerlich erkennen, sie sind mit den Attraktivitätskriterien identisch, wie sie jeder von uns kennt. Gute Gene sind aber auch psychobiologisch mit gewissen Charaktermerkmalen assoziiert. Frauen fühlen sich zu Männern hingezogen, die Wesensmerkmale besitzen, die Stärke und Überlegenheit ausdrücken.

Wenn Frauen Männer bewundern, eigentlich ganz egal weswegen, reagiert ihr Sexualzentrum im Gehirn mit Erregung. Auf rein subjektiver Bewertung basierend werden Bewunderung und das Gefühl männlicher Überlegenheit von ihnen mit guten Genen assoziiert, die sie für ihren Fortpflanzungsauftrag zu ergattern suchen.

Beim Flirten testet sie, ob er es bringt

Das Flirtspiel in der Anfangsphase einer Bekanntschaft dient der Frau als eine Art Test, bei dem das Selbstbewusstsein eines potenziellen Kandidaten geprüft wird. Hat die Frau nun mit ein paar verbalen Interventionen festgestellt, dass der Typ ihr kommunikativ nicht das Wasser reichen kann, hat sich die Sache für sie erledigt. Evolutionsbiologisch gesehen suchen Frauen Männer die ihnen Schutz und Geborgenheit geben können, was in einer urzeitlichen Umwelt für sie von außerordentlicher Bedeutung war.

Wenn sie gewinnt – hat er sie verloren

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Wenn sie sich nun einen Mann überlegen fühlt – auch wenn dies nur eine verbale Überlegenheit ist – glaubt ihr Unterbewusstsein nämlich nicht daran, dass dieser Mann über jene guten Gene verfügt, die für sie interessant sind und auch nicht daran, dass er ihren Sicherheitsinteressen gerecht werden kann. Ihre Sexualzentren im Gehirn blocken dann alles Weitere ab. Schafft es ein Mann jedoch an dieser Stelle, in einem witzigen und humorvollen Wortgefecht, die Dame an Kreativität und Einfallsreichtum zu übertreffen, kann er ihr Interesse aufrecht erhalten und die Sache vielleicht weiter vorantreiben.

Aber, um ein so kommunikationsbegeistertes Wesen, wie es eine Frau nun mal ist, verbal in Verlegenheit zu bringen und dabei selber noch eine gute Figur zu machen, ist einiges an Sprachakrobatik nötig – verbunden mit einer gehörigen Portion männlicher Selbstsicherheit. Um solche Wortduelle als Mann zu bestehen, ist es hilfreich, kleine vermutete Schwächen und Unzulänglichkeiten der Schönen an die Ober- fläche zu zerren und mit einem verbalen Degenstoß aufzuspießen. Kleine seelische Sticheleien, aber natür- lich keine großen und plumpen Verletzungen, und alles ganz locker und mit viel Humor.

Ganz anders in ihrem Flirtverhalten gibt sich eine Frau, die von Anfang an weiß: Diesen Mann will ich. In so einer Situation ist von ihrer Seite natürlich keine Testphase nötig. Sie gibt sich scheu und schüchtern – vom verbalen Kräftemessen keine Spur. Sie macht sich kleiner als sie ist, vom unbewussten Wissen geführt, dass das männliche Interesse sehr schnell kippen kann, wenn er den Eindruck hat, dass sie zu stark und zu dominant wirkt. Sexuelles männliches Interesse und starkes dominantes weibliches Verhal- ten passen nicht zusammen.

Der nette Mann kommt als Weichei rüber

Flirt in einer Bar

Das gefällt ihr… ©Jacob Lund /fotolia.com

Aber kommen wir wieder zu Sven, unseren netten Mann zurück: Er kann nicht so flirten, dass er bei den Mädels einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt.
Nicht, dass er kein geschickter Redner wäre, aber als netter Mann kann er keiner Frau kleine Frotzeleien oder Gemeinheiten unter die Nase halten – sie zu necken oder mit irgendeiner erfundenen Schwäche aufzu- ziehen, hält er nicht für okay und ist nicht sein Stil.

In seinem gutsituierten Elternhaus ging man immer zuvorkommend und betont höflich miteinander um. Für seine kleineren Schwestern hielt er sich stets auch für mitverantwortlich und stand ihnen in der Schule immer ritterlich zur Seite. Mit einem Wort: Der nette Mann ist ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle.

Er macht einem Mädchen, das ihm gefällt, lieber nette Komplimente, weil er dadurch hofft, ihr Herz zu erobern. Viele Komplimente ohne Beimischung kleiner humorvoller Bosheiten heben Frauen aber auf ein Podest, von dem sie dann auf ihren Anbeter herunterschauen. So etwas schmeichelt zwar dem weiblichen Ego, das Sexualzentrum in ihrem Kopf drückt aber die Aus-Taste. Es ist leider eine traurige Wahrheit, das Frauenherzen allzu nette Männer als unmännlich interpretieren und diese Kandidaten dann von ihrer Liste streichen.

Ab in die Kumpelschublade

Aber so ein Goldstück wie den netten Mann möchte Frau natürlich trotzdem gerne behalten; auch wenn er für das Eine nicht in Frage kommt. Der nette Mann wandert dann bei ihr in die Kumpelschublade und fristet dort ein trauriges Dasein. Immer wenn sie wieder mit einem dieser Megasupertypen Schiffbruch erlitten hat, erinnert sie sich des netten Mannes in der Kumpelschublade – lässt sich von ihm trösten und aufbauen, um sich dann wieder gestärkt dem nächsten „Supermacker” an den Hals zu werfen.

Sie sucht einen, der besser ist als sie

Das weibliche Sexualverhalten ist um einiges komplexer als das männliche. Männer finden Frauen attraktiv, wenn sie dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Das reicht fürs erste. Bei den Frauen hat es den Anschein, dass er etwas verkörpern oder besitzen muss, das sie nicht hat bzw. das sie gerne hätte und für das sie ihn bewundert. Auf gutes Aussehen kommt es dabei nicht unbedingt an.

Normalerweise reicht es nicht, wenn der Mann denselben Partnerwert verkörpert, den sie für sich selber veranschlagt. Im Grunde sind für Frauen nur Männer interessant, die einen deutlich höheren Partner- wert besitzen als sie selber.

Der nette Mann hat ein Problem mit sich

Noch einmal zurück zu Sven und seinem Problem eine Freundin zu finden: Allzu nette Männer haben in der Regel ein Problem mit sich selbst.

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Böse, kalte Welt… ©fasphotographic/ fotolia.com

Ein netter Mann hat tief in sich die Vorstellung, ob berechtigt oder nicht, dass er für eine Partnerin nicht gut genug ist. Diese Einstellung hat seine Wurzeln in der Kindheit und kann sich an einem realen Makel orientieren, wie z.B. an einer zu geringen Körpergröße. Meist ist es jedoch so, dass ein überkritisches Elternhaus die Messlatte sozialer Akzeptanz so hoch gesteckt hat, dass der Filius sie nie erreichen konnte.

Gefühle der Unzulänglichkeit und der Minderwertigkeit werden dadurch schon früh in der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung verinnerlicht. Da der nette Mann davon ausgeht einen nicht akzeptablen Mangel zu haben, hat er die unbewusste Vorstellung entwickelt, dieses Manko dadurch ausgleichen zu können, dass er andere vermeintlich ungute Charakterzüge vor seiner Angebe- teten versteckt. Nette Männer verbergen ihre Ecken und Kanten, um sich liebenswerter zu machen.

Diese wären aber nötig, um in einer Beziehung ein funktionsfähiges Machtgleichgewicht errichten zu können – als stabiles Fundament für die Liebe. So ist die Frau, wenn sie nicht zufällig auch ein ganz nette ist, natürlich nicht motiviert ihre Kanten abzurunden. Automatisch nimmt der nette Mann dadurch bei der Beziehungsanbahnung die subdominante Position ein und wirkt dadurch unattraktiv auf sein weibliches Gegenüber.

Manche nehmen aus Verzweiflung doch den netten

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Manche Frauen, die in ihren früheren Beziehungen mit den „echten Männern” Schiffbruch erlitten haben, wählen trotzdem den netten Mann als Ehepartner, vor allem dann, wenn sie einen starken Kinderwunsch haben. In ihrer Kinderwunschphase sind sie stark motiviert Sex zu haben, aber danach flaut ihr Interesse dramatisch ab.
Der nette Mann vermag auf Grund seiner Persönlichkeitsstruktur ihre Libido nicht für längere Zeit zu aktivieren. In seiner Not und Verzweiflung – vielleicht beraten von weiblichen Freunden – intensiviert der nette Mann seine Bemühungen um die Beziehung noch mehr, mit dem Ziel bei ihr Begehren auszulösen. Er steigert damit vielleicht seine Bedeutung als Partner für sie, als Liebhaber kann sich der nette Mann dadurch leider nicht attraktiv machen.