Sexualität und Machtgleichgewicht – Online-Beratung

Geliebte sein und Krankenschwester – warum ist das so schwer

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Das Geheimnis einer glücklichen Partnerschaft und einer erfüllenden Sexualität besteht in der Fähigkeit des Liebespaares, das komplizierte Kräftegleichgewicht in ihrer Beziehung ausbalanciert halten zu können. Ist das nicht der Fall, ergeben sich für Liebe und Sexualität sehr ungünstige Auswirkungen.

Die Partner sollten daher unbedingt über die Psychologie des Machtgleichgewichtes Bescheid wissen und über genügend Geschick, Selbstbewusstsein und soziale Kompetenz verfügen, Ungleichgewich te, die sich eingeschlichen haben, wieder los zu werden.

In der Praxis stellt sich so ein Unterfangen häufig als sehr viel schwie- riger heraus als man denkt oder ist manches Mal auch überhaupt nicht möglich – jedenfalls kurzfristig nicht.

Es kann sehr hilfreich sein, bei Problemen in der Partnerschaft oder mit der Sexualität, einen Berater oder Coach zu engagieren, der mit Rat und Tat zur Seite steht und dafür sorgt, dass die in ihrer Stellung geschwächte Person nicht noch weiter auf der schiefen Ebene nach unten rutscht.

Machtgleichgewicht leicht störbar

Wenn es kurz- oder mittelfristig keine Möglichkeiten gibt das Kräfteverhältnis der Partner zu korrigieren, wie in dem Beispiel unten, ist es wichtig, Vorkehrungen zu treffen, damit es nicht zu einer weiteren Verschlechterung des Beziehungsklimas kommt. Dazu gehört, dass der subdominante Partner (der, der an Gewicht verloren hat) die Psychodynamik seiner Beziehungssituation begreift und durch diese Einsicht motiviert wird, Verhaltensweisen zu zeigen, die der Situation angemessen sind; das heißt, dass er z. B. aufhört durch unglückliches Agieren seine Partnerschaft zu destabilisieren und die Sexualität zu belasten.

Ungleichgewichte, die Beziehung und Sexualität stören, können die verschiedensten Gründe haben. Allen ist der psychologische Effekt zu eigen, dass plötzlich oder allmählich einer dem anderen gegenüber eine schwächere Position einnimmt.
Dieser Effekt schafft einen anderen Bezugsrahmen für die Beziehung und die Sexualität der Partner: Die Gefühle zueinander definieren sich neu. Der Überlegene verliert immer einen Teil seiner Gefühle und Leidenschaften, während für den Schwächeren sein Partner immer wichtiger wird.
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Wenn Sie, sehr verehrte Leserinnen und Leser, sich ein wenig auf meinen Seiten umsehen – immer wieder wird Ihnen in dem einen oder anderen Zusammenhang der Terminus „Machtgleichgewicht“ begegnen, der für Beziehung und Sexualität von herausragender Bedeutung ist.Wenn Sie eine Verbesserung Ihres Beziehungsklimas anstreben, ist es immens wichtig für Sie, die psychologischen Effekte zu verstehen, die sich dahinter verbergen.

 

Die Gefühlswandlung, die sich bei einer Verschiebung der Machtbalance im Unterbewusstsein abspielt, benutzt seelische Geleise, die dutzende oder sogar hunderte von Millionen Jahre alt sind und die es nicht ermöglichen, dass eine treue und besorgte Ehefrau, Geliebte und Krankenschwester zugleich sein kann…

Panikattacken am Anfang

 

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Panik wirkt nicht sexy auf Frauen..Foto: © davidolkarny/fotolia.com

Hans ist für ein mittelständisches Unternehmen im Außendienst tätig. Die Auftragslage der Firma ist seit einiger Zeit nicht gerade rosig, was zur Unruhe unter den Mitarbeitern führt; zumal Gerüchte im Umlauf sind, dass Entlassungen anstehen. Hans setzt sich stark unter Druck lukrative Aufträge an Land zu ziehen.
Seit einiger Zeit jedoch fühlt er sich kraftlos und ausgelaugt; am Schlimmsten aber sind anfallsartige Angstzustände mit Herzrasen und Schweißausbrüchen, die scheinbar aus heiterem Himmel über ihn hereinbrechen.

Zweimal schon hat er vom Auto aus den Notdienst alarmiert; eine Klinikeinweisung war die Folge. Außer einem mäßig erhöhten Blutdruck und einer tachykarden Herzrhythmusstörung konnten keine Befunde erhoben werden. Der eingesetzte Betarezeptorenblocker dämpfte zwar die Anfallsspitzen, machte ihn aber nicht beschwerdefrei.
Unbewusst horchte Hans den ganzen Tag in sich hinein – angestrengt und überängstlich –, einen neuen Anfall geradewegs herbeizwingend.

Ehefrau wird Krankenschwester

Seine Ehefrau Vera stellte sich mit der Zeit als die Person heraus, die ihn am schnellsten aus so einem Anfall heraushelfen konnte. Vera betreibt im gemeinsamen Haus ein kleines Blumengeschäft, das sie kurzfristig zusperren kann, um ihren Hans abzuholen, wenn der unterwegs steht und wegen eines Anfalls nicht mehr weiter kann. Veras Anwesenheit hat auf Hans eine unglaublich beruhigende Wirkung: Gekonnt misst Sie – wie eine Krankenschwester – seinen Blutdruck und gibt beruhigende Kommentare zu den Resultaten; wenn sie dann eine zeitlang seine Hand hält und weiter mit ruhiger und fester Stimme auf ihn einredet, verliert er rasch seine ängstliche Unruhe.
Hans ist voller Dankbarkeit und sagt deshalb oft zu ihr, dass er nicht wüsste, was er ohne sie anfangen würde.

Seit einiger Zeit stellt er aber fest, dass sich Veras Verhalten ihm gegenüber sehr verändert hat. Am Anfang seiner Erkrankung, als er noch davon ausging, jederzeit an einem Herzinfarkt sterben zu können, hatte er wochenlang überhaupt keine Lust auf Sexualität und körperliche Nähe. Aber mittlerweile hat sich seine Psyche doch so weit gefangen, dass er nicht mehr sooft ans Sterben denkt und andere Bedürfnisse wieder an die Oberfläche kommen.

Gestörte Machtbalance und Sexualität

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Aber eigenartig: Vera, ansonsten gesegnet mit einer guten Sexualität, gibt sich seltsam reserviert und kühl. Ihr sonstiges Verhalten Hans gegenüber ist nach wie vor liebevoll und umsorgend – aber Sex hatten sie schon lange nicht mehr. Bei Nachfragen gibt sie vage und ausweichende Antworten – die ihm auch nicht weiter helfen. Ihn beschleicht die seltsame Angst, dass sie ihn vielleicht nicht mehr liebt und ihn verlassen könnte, gerade jetzt, wo er sie so dringend braucht.

Er drückt ihr gegenüber immer wieder seine Befürchtungen aus in der Absicht, von ihr zu hören, dass „das alles nicht so ist”. Sie sagt zwar immer das, was er von ihr hören möchte – aber in ihren Augen meint er eine gewisse Resignation zu erkennen, die ihm Angst macht. Seine nervöse Angespanntheit nimmt wieder zu; seine Anfallshäufigkeit auch.

Einerseits hat er mit seinen Befürchtungen recht, andererseits aber auch wieder nicht:

Bei Vera hat sich eine Störung der Sexualität ergeben, eine Trennung von Lust und Liebe – sie liebt ihn und fühlt sich ihm verbunden, begehrt ihn aber sexuell nicht mehr.
Schuld an der Misere trägt das krass verschobene Machtgleichgewicht, das sich in ihrer Beziehung eingenistet hat und dessen Hauptwirkung Veras Sexualität beeinträchtigt. In ihrem Unterbewusstsein addieren sich psychobiologische Kräfte aus der Urzeit und psychosoziale Prägungen aus der Kindheit – mit dem Effekt, dass sie keinerlei Lust verspürt mit ihrem liebesbedürftigen Hans ins Bett zu gehen.

Kindheit und Sexualität

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Das Vaterbild ist für
eine Tochter wichtig. Foto: © Halfpoint/fotolia.com

Um die Störung von Veras Sexualität besser verstehen zu können, müssen wir uns etwas mit ihrem Vaterbild beschäftigen, das für die meisten Frauen eine besondere Wichtigkeit hat.

Von den drei Töchtern die der Papa hatte, war Vera so was wie die Lieblingstochter; jedenfalls hat Vera so was in Erinnerung. Als Monteur einer großen Firma war er oft tagelang von zu Hause fort und Vera zählte die Tage und Stunden, bis sie ihren Daddy wieder bei sich hatte.

Er war als Hobbysportler sehr aktiv und seine Töchter bewunderten immer seine Kraft und Stärke. Für Vera verkörperte er den Übermann schlechthin – er war es, der ihr Männerbild formte, was die Sexualität an- belangt.

Hans ist ihrem Daddy äußerlich sehr ähnlich: groß und kräftig ist er und ein guter Sportler. Veras erotischer Motor springt nur bei Männern dieses Typus an. Man kann sich sehr leicht vorstellen, wie die Panikattacken, die aus Hans ein hilfloses Kind machen, den Motor ihrer Sexualität ins Stottern bringen.

Von einer evolutionären Betrachtungsweise aus gesehen ist Hans in ihren Augen, vom Status her, ganz nach unten gerutscht. Dies hat zwar nicht ihre Liebe und Zuneigung zerstört, aber die Zentren für Sexualität in ihrem Gehirn völlig blockiert.

Biologisch betrachtet hat er einfach die Berechtigung verloren mit ihr zu kopulieren.

Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass man in Beziehungen nicht alles an Bedürfnissen unter einen Hut bekommen kann. Soll in Partnerschaften die Sexualität nicht zu kurz kommen, ist es wichtig für ein Paar, andere, sehr kameradschaftliche Aspekte ihrer Zweisamkeit, die auch wichtig sind, nicht allzu sehr in den Vordergrund zu stellen.

Teufelskreislauf und Sexualität

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Das kleine zwischenmenschliche Drama, das sich in dieser Ehe abspielt, kann Dimensionen erreichen, die zu einer Trennung führen können; sehr leicht sogar. Da keiner der Beteiligten die Kräfte kennt, die im Hintergrund die Strippen ziehen, fühlen sie sich hilflos einer Situation ausgeliefert, die sie vermeintlich nicht mehr steuern können. Aus Angst die Beziehung zu verlieren, lässt Hans sich hinreißen, seine Frau unter Druck zu setzen.

Sie soll ihn bestätigen, wie ein Sprechroboter auf Knopfdruck, am besten zehnmal am Tag, dass sie ihn liebt und nicht verlassen wird. Mit dieser Angst-Beschwichtigungs-Strategie ist er tatsächlich auf dem besten Weg, seine Frau ins emotionale Aus zu befördern. Aber auch ihr ist die Sache mit der eingeschlafenen Sexualität unheimlich: Mehr als einmal hat sie sich nämlich schon gefragt, was wohl aus ihrer Beziehung werden wird, wenn ihre Lust nicht wieder kommt. Mehr aus Neugierde wie sie reagiert, als aus sexueller Lust, startet Hans, in seiner Verzweiflung, einen Versuchsballon nach dem anderen – um sich jedes Mal die Schmach einer Ablehnung einzuhandeln. Mit jedem Nein das sie ausspricht, wächst ihre Abneigung Sex mit ihm zu haben. Das ewige Abwehren und Anrennen kann Mauern hervorrufen, die die Sexualität eines Paares auf lange Sicht blockieren können; manchmal für immer.

Dabei könnte es für beide so einfach sein: Wenn Vera wüsste warum ihre Sexualität gestört ist, wüsste sie auch, dass das wieder aufhört – nämlich dann, wenn seine Panikattacken aufhören und er wieder zu dem Hans wird, zu dem sie aufschauen kann. Sie bräuchte dann nicht ständig selbstbeobachtend in sich hineinzuhorchen und zu warten, ob ihre Sexualität am Aufwachen ist. Diese Selbstkontrollen führen nämlich nur zu einem einzigen Ergebnis: Dass das was sein soll, nur noch unwahrscheinlicher wird.

Wenn Hans realisieren würde, dass Veras Sexualität aufgrund eines biologischen Programms gestört ist und dass diese Phase wieder verschwindet, wenn seine Krankheit aufhört, bräuchte er nicht ständig nachfragen und Versuche starten – um sich damit den letzten Rest an Anziehungskraft kaputt zu machen.
Er würde dann wegen seiner Panikattacken vielleicht nicht mehr so sehr in ihr die tröstende „Mutter” suchen – die durch Händchenhalten ihrem großen Kind die Ängste nimmt.

English version: Sexuality and power balance