Das Zervikal-Syndrom – Online-Sprechstunde

Stolz hat seinen Preis – das Zervikal-Syndrom

Fotolia_30278179_XS - Kopie

Dieser Schlag sitzt… ©Sebastian Wolf/ fotolia.com

Triumphierend blickt Arkan in die Menge; den Kopf leicht in den Nacken gelegt; die Arme u-förmig nach oben; so stolziert er durch den Ring – er ist der King! Die Zuschauer sind aufgesprungen und spenden frenetisch Beifall. K.o. in der fünften Runde – was für ein Kampf!

Vorne links in der ersten Reihe: Seine Freundin, blond, ultra kurzer Rock – völlig aus dem Häuschen hüpft sie herum wie ein Gummiball. Für solche Szenen nimmt Arkan jeden Trainingsschweiß in Kauf – sie sind sein Leben. Er spürt förmlich das Adrenalin, wie es durch seine Adern rauscht – ein Gefühl – unbeschreiblich. Sein Gegner liegt noch immer benommen am Boden; zu dritt hieven sie ihn vorsichtig auf eine Trage und schaffen ihn weg. Für Arkan – vorläufig noch Amateurboxer – ist es der siebte Sieg in Folge… Sein Traum: ein Wechsel ins Profilager. Raus aus seinem Sch…job und mitten hinein ins Rampenlicht – zu den ganz Großen…

Liebe Leser, bevor wir uns weiter mit Arkan beschäftigen und seinem ungewöhnlichen Gesundheitspro- blem, lassen Sie mich einen Bogen spannen zu den Anfängen des Lebens. Es ist mir ein besonderes Anliegen auf diesen Seiten, den Interessierten unter Ihnen, neben einem Wissen über psychosomatische Zusammenhänge, auch Wissenswertes über die Evolution des Lebens zu vermitteln, um das Thema Psychosomatik in einen größeren Kontext zu stellen. Diejenigen unter Ihnen, die an diesen Aspekten nicht so interessiert sind, können einfach weiter unten weiter lesen, unter der Überschrift „Konflikte am Arbeitsplatz”.

Zurück an den Anfang des Lebens

Rivalität unter Artgenossen, so könnte man die obige Box-Szene im 21.Jahrhundert aus biologischer Sicht titulieren, hat die Entwicklung des Lebens auf unserer Erde geprägt – von aller Anfang an.

„Konkurrenz belebt das Geschäft” – dieser Ausspruch hat nicht nur in der Geschäftswelt seine Entspre- chung – er gilt auch für die Evolution des Lebens. Das war immer schon so. Angefangen bei den ersten chemischen Verbindungen, die man als Vorstufe des Lebens bezeichnen könnte und die existierten, Millionen Jahre vor den ersten primitiven Mikroorganismen.

DNA Molekül

DNA Molekül ©Sergey Nivens/ fotolia.com

Spiralig gewundene Molekülketten kamen vor mehr vier Milliarden Jahren massen- haft als freischwimmende Konglomerate im Salzwasser der Urmeere vor. Genpro- totypen könnte man sie nennen – oder besser – Replikatoren. Und es wurden ihrer immer mehr, dank einer bemerkenswerten Eigenschaft, die tote Materie sonst niemals hat: Replikatoren konnten Kopien von sich selbst herstellen – sie konnten sich vermehren – daher der Name. Damit erfüllten sie bereits ein wichtiges Krite- rium für Leben.

Bausteine zu ihrer Vermehrung fanden sie massenhaft in der Umgebung; durch die Einwirkung energiereicher Strahlung entstanden diese Substanzen von selbst.
Aber den Vorläufern von allem Lebendigen wurden irgendwann die Bausteine knapp, weil diese schneller verarbeitet waren, als sie nachgeliefert werden konnten. Rivalität setzte ein: Die Replikatoren „kämpften” um ihre chemischen Zutaten – stumm, absichtslos und ohne Bewusstsein, weil diese Strukturen vorerst ja nur leblose chemische Verbindungen waren – und sonst gar nichts.

Die Natur ist nicht perfekt

Die fast unbegrenzt zu nennende Vermehrung über lange Zeiträume erzeugte Unmengen an Replikator-Molekülen, die sich aber nicht glichen wie ein Ei dem anderen. Es traten, wie bei Generationen von Schriftgelehrten, die sukzessive ihre Schriften immer wieder voneinander abschreiben, Kopierfehler auf, die sich durch alle Folgegenerationen hindurch zogen. Durch neue Fehler veränderten sich die Replikatoren abermals und durch erneute wieder. So entstanden verschiedene Typen dieser Urgene, die in der Fähigkeit differierten, Bausteine einzusammeln und zu Kopien zu verarbeiten.

Manche waren aus purem Zufall geschickter und besser als andere; diese verloren den „Boxkampf” und wurden abgedrängt in die Bedeutungslosigkeit. Der Urozean der Erde reicherte sich so beständig mit den unterschiedlichsten Replikator-Typen an, die zu den seltsamsten Dingen gehörten, die bis dato auf Erden existierten.

Sie waren das Ausgangsmaterial für jene späteren Erfindungen – die dann richtig „krabbeln” konnten.

Rivalität gibt es überall

Manche Organismen haben eine unglaubliche Vermehrungsfähigkeit – andere wieder nicht so – aber ganz allgemein gilt, dass Lebewesen stets mehr Nachwuchs produzieren als die Natur aufnehmen kann.

Fische und Amphibien legen Tausende von Eiern, von denen nur ein Bruchteil der Larven am Leben bleibt – gefressen von Räubern oder gestorben – weil sie den Lebensbedingungen nicht gewachsen waren.

Tiere die es schaffen bis zur Geschlechtsreife zu überleben, sehen sich neuen Problemen ausgesetzt:
Bei bestimmten Arten stellen die Männchen fest, dass es an Fortpflanzungsrevieren mangelt, von denen sie unbedingt eines ergattern müssten – um als Besitzer von Grund und Boden die anspruchsvollen Weibchen beeindrucken zu können.
Bei polygam veranlagten Arten wiederum können es die tollsten Kerle schaffen, an viele Weibchen heranzukommen – mengenmäßig – bis zum Abwinken! Aber der Konkurrenzkampf ist hart und brutal; um Rang und Weibchen herrscht ein Hauen und Stechen, so schlimm, dass die Kombattanten manchmal sogar das Fressen vernachlässigen. Am Ende einer Brunftzeit sind männliche Hirsche z. B. oft so ausge- zehrt, dass man glaubt sie seien todkrank.

Dass beim Menschen die Männer eine geringere Lebenserwartung haben als die Frauen, hat mit dem männlichen Sexualhormon Testosteron zu tun, das dieses Rivalisieren fördert und so indirekt zu Stress-Erkrankungen führen kann.
Rivalitäten im Tierreich werden durch körperliche Auseinandersetzungen entschieden: Der Geschicktere und Stärkere gewinnt und erwirbt das Recht auf Paarung mit einem oder mehreren Weibchen.
Aber – Kämpfe sind gefährlich und können tödlich enden, auch noch lange hinterher, durch Verletzung und Infektion. Dieses Risiko trägt nicht allein der Schwächere; auch der Sieger kann, bei Tieren mit „scharfen Waffen”, einen Treffer kassieren – der ihn noch nach Tagen umbringt.

Regeln für den Kampf

Hirschkäfer beim Rivalenkampf

Kampf bis zum Letzten… ©manubelin/ fotolia.com

Über Hunderte von Millionen Jahren hat die Evolution deshalb Verhaltens- weisen gefördert, die das Risiko beim Kämpfen verringern sollen – für den Stärkeren und den Schwächeren. Bei Tieren gibt es Konventionen und Regeln, wie diese Auseinandersetzungen abzulaufen haben und vor allem, wie der Schluss eines Kampfes auszuschauen hat.

Sieht ein Kämpfer seine Niederlage kommen – wirft er das Handtuch; d.h. er setzt ritualisierte Verhaltensweisen der Beschwichtigung ein, die die Aggression seines Gegners sofort unter Hemmung setzt. Der Kampf ist damit vorbei; der Verlierer schleicht sich in die Büsche und der Sieger tut sich nach einem geeigneten Weibchen um.

Diese Beschwichtigungsgesten differieren zwischen den Arten erheblich und sind auch abhängig davon, ob Tiere über gefährliche Tötungsinstrumente verfügen oder nicht.
Auseinandersetzungen unter Wolfsrüden z. B. enden mit jener Demutsgeste des Unterlegenen die jeder Hundefreund von seinem Liebling kennt: Auf dem Rücken liegend und winselnd präsentieren sie sich dermaßen erbärmlich, dass der Sieger sich mit Grausen abwendet.

Allgemein sind Demutsgesten im Tierreich dadurch charakterisiert, dass der Unterlegene „seine Waffen“, mit denen er verletzen könnte, verbirgt. Tiere mit gefährlichen Zähnen oder Schnäbeln senken den Kopf und signalisieren damit ihre Unterwerfung bzw. ihre Nichtangriffsbereitschaft.
Wenn allerdings auf einem Safaritrip in Kenia ein Nashorn seinen Kopf senkt – hat das eine ganz andere Bedeutung: Tiere, die ihren Kopf gewöhnlich als Angriffswaffe benutzen, zeigen durch Senken dieses Körperteiles an, dass in Kürze etwas Furchtbares passieren wird Smilie.

Primaten schauen zu Boden

Demutsgesten unter Primaten, zu denen die modernen Affen und auch der Homo sapiens gehören, sind charakterisiert durch ein sich Kleinmachen und ein Absenken des Kopfes. Rivalisierende Männchen verfallen vor dem Kampf in Drohstarrduelle, in denen die Gegner sich gegenseitig scharf ins „Auge fassen“. Sich anzustarre” gilt deshalb unter Primaten als Vorstufe zur Attacke bzw. als starke Herausforderung.

Silberrücken

Mit dem ist nicht gut
Kirschen essen… ©RbbrDckyBK/ fotolia.com

Bei einer Gorillasafari im Kongo – dem Silberrücken begegnen und ihm frech ins Gesicht starren – ist etwas, das instinktiv wohl keiner tun würde: Mit Kniefall zu Boden und sich demütig windend wie ein Wurm – ist die Geste – die den Wüterich besänftigt und einen davonkommen lässt.

Wenn Sie am Morgen Ihre Haustüre aufsperren um die Zeitung aus der Box zu holen, nicken sie Ihrem Nachbarn mit einem guten Morgen-Gruß freundlich zu. Das rituelle Kopfnicken soll sagen: „Nachbar, ich bin dir immer noch freundlich gesonnen und werde dich nicht angreifen”. Oder der Siebenjährige, der wegen einer eingeschmissenen Fensterscheibe sich Vaters Standpauke abholt und dabei seine Schuhspitzen fixiert – winselt mit dieser Geste um Gnade und Vergebung.

Die Emotionen Angst oder Scham führen über einen neurophysiologischen Mechanismus Energie kaskadenartig auf Untersysteme, die wiederum sich auffächern und Nervenimpulse an motorische Einheiten in die Peripherie schicken. Diese Vorgänge spielen sich blitzschnell ab und entziehen sich gewöhnlich unserer bewussten Wahrnehmung.

Schon geringfügige Spannungsänderungen der Gesichtsmuskulatur z. B. können den Ausdruck einer Person völlig verändern. Andere Personen können unbewusst darauf reagieren – richtig und angemessen und ohne groß darüber nachzudenken.
Die neurophysiologischen Mechanismen im Gehirn, die diese reflexartigen Abläufe managen, sind viele Millionen Jahre alt – Dutzende oder vielleicht sogar Hunderte – und haben schon die ersten Säugetiere auf Erden mit angepassten Verhaltensweisen reagieren lassen.
Zielgebiet einer zentralnervösen Steuerung sind oft die Muskeln – entweder die, die am Skelett ansetzen oder der Typ zwei, der die inneren Organe umschließt wie z.B. den Darm, die Blase oder die Blutgefäße.

Konflikte am Arbeitsplatz

Jetzt kommen wir zu guter Letzt wieder zu Arkan zurück, unserem hoffnungsvollen Amateurboxer und seiner großen Ambition fürs Profilager – um seinen Beruf an den Nagel hängen zu können. Arkan ist Automechaniker-Lehrling im dritten Lehrjahr – bei der Niederlassung einer großen deutschen Automarke. Als begeisterten Autofan hatte es ihm schon als Kind den Glanz in die Augen getrieben, wenn er vor Schlitten stand mit großen Auspufftöpfen und breiten Reifen; dass er einmal etwas mit Autos machen würde – war jedem klar. Das erste Lehrjahr hat er gut verkraftet und auch die Berufsschule, sein Sorgenkind von Anfang an, klappte viel besser als erwartet. Aber im zweiten Lehrjahr braute sich über ihn ein Unglück zusammen, das ihn voll erwischte:

Arkan ist zeitweise nur unter großen Schmerzen fähig mit seinem Kopf zu nicken oder eine Drehbewegung nach rechts oder links zu machen. Nackenverspannungen oder besser Nackenverkrampfungen halten seinen Hals in eiserner Umklammerung – so schlimm, dass sogar das Schlucken manchmal stark behindert ist.

Fotolia_25794274_XS

Ganz penibel… ©runzelkorn/ fotolia.com

Verblüffenderweise wechseln die Beschwerden in ihrer Intensität sehr stark. Während der Arbeit sind sie meistens maximal. Kaum hat er abends den Blaumann an den Nagel gehängt und das große Tor passiert, lockert die Eisenfaust schon merklich ihren Griff. Abends, nach einem Sandsack-Punching im Studio, erreicht seine Halswirbelsäule nicht selten die Flexibilität einer Eule. Morgens, beim Zähneputzen, merkt er schon beim Gurgeln, wie der Schraubstock allmählich wieder nach ihm greift.

Und der neue Meister in der Firma ist die volle Katastrophe: Ständig triezt er ihn wegen Kleinigkeiten und versucht ihn lächerlich zu machen – immer dann, wenn die anderen auch gerade in der Nähe sind. Arkan hat schon Drohungen ausgestoßen ihn bei Gelegenheit einen linken Haken zu verpassen, „dass er im Fensterkreuz hängen bleibt”. Zweimal war er bereits zum Rapport beim Abteilungsleiter einbestellt; auch Ultimaten wurden dabei ausgesprochen…

 

Demokratie fußt auf Hierarchie

Fotolia_9323847_XS - Kopie

Sieht gefährlicher aus,
als er ist… ©Eric Gevaert/ fotolia.com

Die allermeisten Primaten (links Löwenäffchen) leben in Gruppen, die sich hierarchisch strukturieren. Eine Rangordnung wird dabei strikt eingehalten – sonst setzt es Hiebe. Der Gruppenboss hat die großen Privilegien: Beim Futtern – den Weibchen – eigentlich überall.

Demütige Unterwerfungsgesten werden ihm geboten, wo er geht und steht. Huldvoll nimmt er sie entgegen und man bekommt die Überzeugung, dass sein übertriebenes Selbstbewusstsein allein von dem unterwürfigen Getue der anderen herrührt. Diese Art des Sozialverhaltens entspricht auch unserer tiefsten menschlichen Natur.

Demokratische Ideale und Spielregeln sind die Konstrukte unseres Vernunft geleiteten Denkapparats und entstammen den neokortikalen Zentren unseres Gehirns – während unser Bedürfnis nach Macht und Dominanz in den neuralen Strukturen des Althirns fußt.

In den Parlamenten westlicher Demokratien kommen Gesetze und Erlasse nach Mehrheitsbeschlüssen zustande, aber in den anderen Bereichen des Lebens – hinter den Kulissen – geht es alles andere als basisdemokratisch zu. Hier strukturieren sich Rangordnungen und Hierarchien, wie sie den Bedürfnissen unserer archaischen Seele entsprechen.

Konflikte aktivieren das Zervikal-Syndrom

Es ist eigentlich klar, dass in Gesellschaftssystemen, in denen die Verwirklichung demokratischer Ideale angestrebt wird, Konflikte auftreten, wenn gleichzeitig auch den urzeitlichen Kräften nach Führerschaft Einzelner nachgegeben werden muss.

Diese Konflikte können sich körperlich dadurch manifestieren, dass zeitgleich einander antagonistische Muskelgruppen erregt werden und sich gegenseitig blockieren.

 

Für unser Thema bedeutsam ist die Tatsache, dass zum Absenken des Kopfes andere Muskelgruppen beansprucht werden als zum Anheben. Außerdem müssen Senker und Heber sich aufeinander abstim- men: Wird der Kopf angehoben, müssen die Muskelgruppen des Kopfsenkens vorher entspannt werden.

Fotolia_35579677_XS - Kopie

Der sagt wo’s lang geht… ©Robert Kneschke/ fotolia.com

Ein Lehrlings-Haufen und ein für sie verantwortlicher Ausbilder stellen unter einem evolutionär-psychologischen Blickwinkel eine archaische Gruppe dar, mit einem Alphatier an der Spitze.
Die Gruppe fächert sich in eine Rangordnung auf, bei der Größe, Stärke, Geschicklichkeit, Intelligenz und Aggressivität zählt.

Im Tierreich sind solche Rangordnungen über relativ lange Zeiträume stabil – wenn sie sich einmal etabliert haben. Aber der Zahn der Zeit setzt dem Alphaboss zu und irgendwann kommt es zum Wechsel an der Spitze.

Im Vorfeld testen besonders Mutige mit Provokationen die Standfestigkeit des Chefs, um bei einem Wanken sofort die Macht an sich reißen zu können. Alphatiere machen deshalb beständig auf stark, um bei den Jungen keine dummen Gedanken aufkommen zu lassen.

Arkans alter Meister ist natürlich nicht durch eine „Revolution” abgelöst worden, sondern durch eine Entscheidung der Geschäftsleitung. Der neue versucht nun – ganz nach Primatenart – durch Wichtigtuerei und autoritärem Gehabe die Chefrolle zu übernehmen. Er übertreibt es ein klein wenig und er greift Arkan heraus, um seine Macht zu demonstrieren; weil er ganz schnell kapierte, dass unter den Lehrlingen Arkan der Chef ist.

Fotolia_56159563_XS - Kopie

Ich bin der Größte… ©ysbrandcosijn/ fotolia.com

Und Arkan ist es wirklich – seine großen Erfolge beim Sport machen ihn selbstbewusst bis zur Arroganz – und der neue Meister ist falsch und ungerecht. Sie geraten aneinander bei allen möglichen Gelegenheiten; Arkan hat vor ihm schon mit voller Wucht seinen Werkzeugkasten auf den Boden gedonnert; das hat ihm eine ernsthafte Abmahnung eingebracht. Er versprach, in einem furchtbar demütigenden Gespräch – im Beisein seines Widersachers –, sich in Zukunft zusammenzureißen. Und das tat er wirklich – seelisch und körperlich; aber ein Teil von ihm lehnte sich auf dagegen.

Beim Boxen zu gewinnen und allseits Bewunderung einzukassieren ließen Arkan auch außerhalb des Boxrings – wie selbstverständlich – eine Art „Siegerhaltung” einnehmen. Dabei wird der Kopf leicht angehoben, so dass die Nase etwas nach oben zeigt. Diese Geste, die oft auch Überheblichkeit ausdrückt, ist allgemein bekannt und der Volksmund hat dafür den Ausdruck „hochnäsig” erfunden.

Auf der anderen Seite hat Arkan die tierische Angst gefeuert zu werden und auf der Straße zu landen; das mit dem Profisport ist ja noch nicht in trockenen Tüchern, und wer weiß, was alles noch schief gehen kann. So ist er gezwungen seinen Stolz zu unterdrücken und sich zusammenzureißen. Der Meister hat seine Alphaposition bewahrt – mit Ach und Krach. Arkan ist jetzt ihm gegenüber ganz besonders vorsichtig geworden und zurückhaltend. Diese zurückhaltend-vorsichtige Einstellung aktiviert nun jene Muskelgruppen die schon bei unseren primatenartigen Vorläufern den Kopf zur Demut sinken ließen – als Signal der Unterwerfung unter dem Ranghöheren. Da Arkan stolz und unterwürfig zugleich ist, somatisiert sich sein Konflikt und produziert den Schraubstock, der seine Halswirbel umklammert.

Das Zervikal-Syndrom provoziert Bandscheibenvorfälle

Wenn Fachärzte so einen Fall in ihrem Sprechzimmer haben ist es Ihnen natürlich in der Regel nicht möglich die Psychodynamik zu erkennen, die sich dahinter verbirgt. Konventionelle krankengymnastische Heilbehandlungen werden in so einem Fall nur mäßige Erfolge erbringen, wenn der seelische Konflikt weiter besteht. Beim chronischen Zervikal-Syndrom drohen als Spätfolge Bandscheibenvorfälle, weil der unphysiologische Spannungszustand die Zwischenwirbelscheiben schädigt.

Persönlichkeit und Zervikal-Syndrom

Menschen, die immer wieder unter einem Zervikal-Syndrom leiden – haben Probleme – sich in bestimmten sozialen Situationen so zu behaupten, dass sie mit sich zufrieden sind. Man kann dabei zwei Typen unterscheiden:

Typ eins stellt auf der Basis einer zwanghaft-perfektionistischen Persönlichkeitsstruktur übertrieben hohe Anforderungen an sich, die er mit großem Engagement und Einsatz erfüllen möchte. Triebfeder ganz im Untergrund ist ein tief verwurzeltes Minderwertigkeitsgefühl aus der Kindheit, das nur durch „große Taten” zum Verstummen gebracht werden kann. Schwierigkeiten die sich seinen hohen Zielen entgegenstellen möchte dieser Typ Mensch am liebsten „niederrennen”. Die aggressive Grundstimmung, die fast alle seine Handlungen begleitet, somatisiert sich in einer starken Verkrampfung der Zervikalmuskulatur. Sind zudem noch die Muskeln des Kopfes involviert, kann es zum Symptom des Spannungskopfschmerzes kommen.

Typ zwei hat auf dem Boden einer narzisstischen Persönlichkeit Größenwahn-Fantasien, mit denen er in der Realität aneckt. Geraten solche Personen in Situationen die auch einmal ein sich Kleinmachen erfordern würden – ist das ihnen nicht möglich. Sie können keine klare demütige Haltung einnehmen, weil sie es nicht schaffen die Überheblichkeit ihres narzisstischen Egos loszuwerden. Sind sie einmal gezwungen, in wichtigen Lebensbereichen, eine subdominante Position einzunehmen, können sich brutale Nackenverkrampfungen manifestieren. Sie sind dann in der ungünstigen Situation, dass sich bei ihnen zeitgleich die Muskeln des Stolzes und die der Demut anspannen.

Die Sprache als neue Waffe

In der folgenden Abhandlung möchte ich noch etwas vertiefter auf die Probleme Rivalität und Aggression eingehen, da unterdrückte aggressive Impulse beim Auftreten psychosomatischer Störungen eine große Rolle spielen.

Mit der Entwicklung der Wortsprache hat der Mensch potentiell die Fähigkeit erlangt, Konflikte, Streitigkeiten und Rivalitäten auf der verbalen Ebene auszutragen. Wortgefechte können – biologisch gesehen – als eine stark ritualisierte Form des Kämpfens interpretiert werden, die das Verletzungsrisiko körperlicher Auseinandersetzungen ausschalten. Auch bei rivalisierenden Tieren – die sich immer unter Einsatz ihrer Körperkräfte duellieren – hat die Evolution spezifische Rituale „erfunden”, um ernste Verletzungen zu vermeiden.

Ein Duell mit Worten – bei der Spezies Homo sapiens – kann deshalb als die höchste Form ritualisierter Aggression aufgefasst werden, die es in der Natur gibt. Leider hat es diese Art des „Kämpfens” noch nicht geschafft die körperlichen Aggressionen unter den Menschen aus der Welt zu schaffen. Der moderne Mensch ist wegen seiner steinzeitlichen Gehirnanpassung als evolutionsbiologische Übergangsform zu betrachten, bei der archaisches Aggressionsverhalten, das noch auf tierische Vorläufer zurückgeht, mit neuem – an die Sprache gebundenen – wetteifert.

Die Sprache als Medium der intraspezifischen Aggression ist in unserem Verhalten bedauerlicherweise noch nicht fest und tief genug verankert, weil die Zeitspanne, die bisher vergangen ist, – evolutionär betrachtet – einfach nicht ausgereicht hat.

Zuerst mit Worten dann mit Fäusten

Fotolia_47864630_XS - Kopie

Komm her… ©Nomad_Soul/ fotolia.com

Daher existiert bei uns Menschen neben der neuen ritualisierten Form der Aggression, die sich der Sprache bedient, auch noch die altbewährte, die die Fäuste sprechen lässt. Biologisch gesehen ist das nichts Ungewöhn- liches: Verändern Tierarten durch die Kräfte der Evolution ihr Verhalten, existiert für einen langen Zeitraum noch ein Nebeneinander alter und neuer Verhaltensweisen – bis in ferner Zukunft das alte mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt sein wird. Ob mit Worten gestritten wird oder mit Fäusten, darüber entscheidet, zum einen, das Ausmaß der aggressiven Gefühle und zum anderen die Effektivität der Kontrollmechanismen die sich während der Sozialisierungsphase jeder von uns angeeignet hat bzw. haben sollte.

Wird ein einleitendes Wortgefecht in der Gangart immer härter, werden Handgreiflichkeiten immer wahrscheinlicher. Diese Abläufe sind bei Jugendlichen – besonders unter Alkoholeinfluss – gang und gäbe. Aber auch in einem gesetzteren Alter und an geheiligten Orten können sich Handgreiflichkeiten ergeben.

So geschehen vor einigen Jahren im italienischen Parlament, als nach einer überaus hitzigen Debatte die Abgeordneten demokratische Prinzipien über Bord warfen und dazu übergingen, sich gegenseitig Ohrfeigen zu verpassen. Ist ein emotionaler Siedepunkt überschritten, schalten sich alte archaische Programme ein, die vom limbischen System des Mittelhirns ausgehend die Kontrolle an sich reißen. Wir verfallen dann in Verhaltensweisen die Millionen Jahre zuvor schon das menschliche bzw. das tierische Aggressionsverhalten bestimmt haben.

Muskeln laufen sich warm

Entstehen bei einer Person aggressive Gefühle, lösen diese immer auch körperliche Veränderungen aus, die den gesamten Organismus auf eine Kampf-Flucht-Reaktion einstimmen. Diese somatischen Anpas- sungsreaktionen sind nicht durch eine Willensanstrengung beeinflussbar; sie laufen automatisch ab, unter Vermittlung des vegetativen Nervensystems und über zentralnervöse Schaltkreise, die Abermil- lionen Jahre Entwicklungsgeschichte auf dem Buckel haben. Zu den unbewussten körperlichen Vorberei-tungen auf eine Attacke gehört es auch, die Muskeln vorher in einen entsprechenden Spannungs- bzw. Aktivitätszustand zu versetzen – sie einer Art Mobilmachung zu unterziehen. Je drastischer eine Bedro- hung erlebt wird bzw. je höher der Aggressionspegel angestiegen ist, desto umfangreicher fällt diese Mobilmachung aus.

Übrigens – diese muskulären „warm ups” laufen generell ab; bei allen Bewegungsablaufen gibt es eine Vorbereitungszeit: Ist man z. B. im Begriff von einem Stuhl aufzustehen, kommt es Sekundenbruchteile vorher zu einer Anspannung der Beinmuskulatur, um exakt im richtigen Moment die Handlung ausführen zu können. Um diese vorbereitende muskuläre Aktion zu starten, wird eine beabsichtigte Handlung unbewusst immer im Kopf vorweggenommen.

Aggressive Impulse – die ein Individuum überschwemmen – aber keinen Ausdruck finden, weil die Person es für unziemlich hält ihrer aggressiven Stimmung freien Lauf zu lassen, führen zu Spannungsverände- rungen entsprechender Muskelgruppen. Diese Anspannungen können Stunden anhalten und durch Ge- danken, die die aggressive Stimmung wiederbeleben, aufs Neue aktiviert werden.

Treten zudem die Wut provozierenden sozialen Situationen immer wieder auf, wird eine unbewusste chronische Aggressionsbereitschaft ausgelöst, die für die Betroffenen oftmals unbemerkt von statten geht, da sie die unterdrückten und verdrängten aggressiven Impulse gar nicht mehr wahrnehmen. Wut und Aggressionen sind aber trotzdem da und erhöhen drastisch den Spannungszustand der Skelett- muskulatur.

Derart „malträtierte” Muskelgruppen sind durch die andauernden Anspannungen physiologisch überfordert und fangen an Beschwerden zu machen und Schmerzsyndrome zu entwickeln. In extremen Fällen können sie durch einseitigen Zug sogar das Skelettsystem verbiegen und an der Wirbelsäule Fehlhaltungen auslösen. Die durch die aggressiven Impulse bewirkte muskuläre Anspannung kann sich auf einzelne Muskelgruppen begrenzen oder – wie im Fall der rheumatoiden Arthritis – durch eine Art Massenreflex auf das gesamte Skelettmuskelsystem übergreifen.