Frage zum Thema „Geschlechterrivalität“

Wie lässt sich die Rivalität zwischen den Geschlechtern erklären?

Herr Marco W. schreibt: „Hallo Herr Ittner, in ihrem Strategiebeispiel weisen Sie an einer Stelle darauf hin, dass die Polarisierung einer Liebesbeziehung letztendlich auf Mechanismen der Rivalität beruht, die hunderte von Millionen Jahre alt sind. Wie soll man sich das vorstellen?“

Liebe Besucher, der folgende Text enthält keine direkten praktischen Tipps und Erläuterungen zur Ex-Zurück-Strategie. Um auf Marcos Frage antworten zu können, muss ich evolutionsbiologische Erklärungen bemühen, die Ihnen aber bei einer aktuellen Trennungsproblematik keine große Hilfe sein werden. Wenn Sie an den theoretischen Erörterungen der Mann-Frau-Rivalität kein großes Interesse haben, klicken Sie bitte einen anderen Beitrag in der Themenpyramide an.

Entstehung des Lebens

Vor etwa 3.5 Milliarden Jahren traten die ersten Lebensformen auf unserem Planeten auf. Primitive Urorganismen waren es, winzige bakterienähnliche Mikroben, die nach millionenfachen Entwicklungsschritten schließlich diejenigen Tier- und Pflanzenarten hervorbrachten, die wir heute auf unserer Erde vorfinden.
Aber lange vor der Existenz dieser ersten, echten Lebewesen gab es biochemische Vorläufer, die sich über viele Jahrmillionen im Urozean anreicherten. Unbelebte Strukturen waren es – seltsam gedrehte spiralige Molekülketten – ausgestattet mit der bemerkenswerten Fähigkeit sich identisch verdoppeln zu können. So etwas hatte es unter den chemischen Verbindungen bis dato noch niemals gegeben. Die Bausteine für ihre Kopien entnahmen die „Biomoleküle“ einfach ihrer Umgebung; unter bestimmten Voraussetzungen bildeten sich diese ganz von selbst.
Irgendwann wird es einen Engpass bei diesen Rohmaterialien gegeben haben, denn die rasant anwachsenden Spiralmoleküle nahmen sich gegenseitig die chemischen Bausteine weg.

Eine Art stummer Rivalität setzte ein, die manche der Spiralmoleküle begünstigte, denn es gab Unterschiede zwischen ihnen, was die Fähigkeit anbelangte, sich Duplizieren zu können: Manche waren „besser“ und „geschickter“ als andere. Den Unterschieden in den Eigenschaften lagen Unterschiede der chemischen Struktur zugrunde, denn bei den Verdoppelungen traten manchmal kleine Kopierfehler auf, die zu etwas veränderten Spiralmolekülen führten. (Diese gewundenen Spiralketten waren übrigens die Vorläufer der Erbsubtanz, der DNA; die heute, gut versteckt und geschützt, im Zellkern aller höheren Lebewesen vorkommt.)

Rivalität bringt Evolution voran

Diejenigen Spiralmoleküle die sich schneller, besser und erfolgreicher „vermehrten“, verdrängten mit der Zeit jene immer mehr, die schlechtere Möglichkeiten zur Vervielfältigung hatten. Der fortlaufende Konkurrenzdruck selektierte und siebte über Jahrmillionen ständig weiter. Immer bessere Varianten unserer heutigen DNA-Vorläufer entstanden, die immer länger am Leben blieben und sich immer schneller und besser kopieren konnten…
Irgendwann war ein unglaublicher Evolutionsschritt getan: Aus einer toten, chemischen Molekülverbindung hatte sich ein komplexer Organismus herausgebildet, der sich mit einer Hülle gegen die Außenwelt abgrenzen konnte: Leben war entstanden.
Aber der Kampf ums Überleben – ums bessere Überleben – ging weiter. So wie auf der früheren Evolutionsstufe „nackte“ und unbelebte Spiralmoleküle miteinander konkurrierten, konkurrierten fortan die in ihren lebenden Zellen eingeschlossenen Molekülketten um Nahrung und Lebensraum. Diese Rivalität der Organismen untereinander trug erheblich dazu bei, dass die Lebewesen immer spezialisierter wurden und besser und sich allmählich in eine ungeheure Artenvielfalt auffächerten…

Diese Schnellskizze der Evolution sollte Sie – liebe Leser – mit den Tatsachen von Rivalität und Konkurrenz bekannt machen, die schon seit Anbeginn des Lebens zu den Triebfedern biologischer Entwicklung gehörten…

Männlich und weiblich entsteht

Die Vermehrung der damaligen Organismen erfolgte vegetativ, durch ungeschlechtliche Fortpflanzung. Bei der Parthenogenese, so die wissenschaftliche Bezeichnung, teilt sich der Zellkern und auch das Andere außen herum, und schwups, sind zwei neue Zellen entstanden; ganz einfach. Diese Geschöpfe damals waren eher kleine primitive Lebewesen gewesen, die alle im Meer lebten – keine großartigen Kreaturen – diese kamen erst viel, viel später…

Aber dann, vor etwas mehr als einer Jahrmilliarde „machte“ die Evolution eine spektakuläre Neuerfindung: die sexuelle Fortpflanzung. Jahrzehntelang zerbrachen sich die Evolutionsbiologen über dem „Warum“ den Kopf: Was könnte der Selektionsdruck gewesen sein, der so etwas hervorgebracht hat? Es musste einen geben, einen gewichtigen sogar, denn der Sex bei der Fortpflanzung machte fortan das Leben viel, viel komplizierter und beschwerlicher. Ich möchte die Theorien hierüber jetzt nicht ausbreiten, weil sie für unser Thema „Rivalität zwischen den Geschlechtern“ keine Relevanz haben. Was wichtig ist, ist die Tatsache, dass sich mit der Evolution der sexuellen Fortpflanzung – wie jeder weiß – zwei Geschlechter herausgebildet haben: ein männliches und ein weibliches. Zur Reproduktion mussten nun beide ihr Erbgut vereinigen, die Blastozyste die dabei entstand, war der genetische Grundstock des neuen Lebewesens.

Rivalität unter Geschlechtern

Männliche und weibliche Individuen einer Art können sich manchmal sehr, sehr ähnlich sehen oder sich morphologisch so krass unterscheiden, dass man glauben könnte, zwei unterschiedliche Arten vor sich zu haben. Das Hauptunterscheidungskriterium männlicher und weiblicher Tiere sind aber ihre Geschlechtszellen: Die männlichen sind geradezu winzig im Vergleich zu den weiblichen. Das kommt durch den Dotter zustande, den die weiblichen Geschlechtszellen haben; dieser ist der Proviant für den wachsenden Embryo. Männliche Geschlechtszellen haben so etwas nicht. Spermien sind deshalb viel „billiger“ zu produzieren als Eier. Allgemein gilt die Tatsache, dass das weibliche Geschlecht im Tierreich bei der Fortpflanzung die größeren „Kosten“ zu tragen hat. Diese hohen Kosten begrenzen das weibliche Reproduktionspotential einschneidend – während das der Männchen „uferlos“ erscheint.
Diese biologischen Unterschiede führten bei den Geschlechtern zur Entwicklung voneinander abweichender Fortpflanzungsstrategien:

In allen Männchen hat die Evolution Gene gefördert, die deren unglaubliche Vermehrungsfähigkeit voll zur Entfaltung bringen möchten. Dem stehen aber Gene der Weibchen entgegen, die das ausbremsen und die die relativ geringe weibliche Reproduktionskapazität dazu „benutzen“ wollen, genetisch hochwertigen Nachwuchs auf die Beine zu stellen. Da die Weibchen über die knappen und teuren Fortpflanzungsressourcen verfügen, sind sie es, die bestimmen wer auf der männlichen Seite zum Zuge kommt und wer nicht. Dieser Umstand lässt die allermeisten Weibchen im Tierreich wählerischer erscheinen als die Männchen. Dies kann zu Konflikten zwischen den Geschlechtern führen, die aber nicht so sehr ins Auge fallen, wie der brutale Rivalitätsdruck der unter den Männchen herrscht.

Bei den paarweise lebenden Tieren sind diese Effekte etwas milder und gedämpfter. Die polygame männliche Vermehrungsstrategie ist hier ziemlich außer Kraft gesetzt, weil die Männchen Vaterpflichten zu erfüllen haben und es sich deshalb nicht ziemt, dass sie nach anderen Weibchen Ausschau halten. Aber ihr Potential zum Seitensprung ist unterschwellig dennoch vorhanden…

Konsequenzen für den Menschen

Das oben Gesagte trifft unisono auch auf den Menschen zu. Frauen leisten für die Arterhaltung des Homo sapiens Großes: Riesige Energieströme werden durch den mütterlichen Organismus in den wachsenden Fötus gepumpt. Nach der Geburt geht es mit Stillen weiter und einer gigantischen Brutpflegeleistung, die nötig ist, den hilflosesten Säugling im ganzen Tierreich über die Runden zu bringen. Obwohl der Mann als Vater seinen Beitrag dazu leistet, ist sein Anteil – im Großen und Ganzen gesehen – sehr viel geringer. Es existieren daher Gene in der Frau, die darauf abzielen, eine maximale männliche Unterstützung zu mobilisieren. Dem stehen wiederum männliche Gene entgegen, die seinen Anteil an der Brutpflege bzw. am Paarleben möglichst gering halten wollen, um sein großes Reproduktionspotential – zumindest theoretisch – auch noch bei anderen Frauen ins Spiel zubringen.

Das alles heißt nichts anderes, als dass beim Paarverhalten des Menschen zwei Fortpflanzungsstrategien in Rivalität zueinander stehen, und dass es einen unbewussten Machtkampf um die Vorherrschaft dieser Strategien gibt. Es sei ausdrücklich angemerkt, dass Männer und Frauen sich nicht bewusst Gedanken um diese Abläufe machen. Sie sind so tief im Unterbewusstsein verankert und steuern so subtil unser Verhalten, dass wir selber gar nichts davon bemerken. Und doch existieren diese Kräfte und sorgen ganz gehörig für Zündstoff im Paarleben.

Im Untergrund tobt ein Machtkampf

Diese biologischen Dispositionen von Mann und Frau treffen in der Paarsituation aufeinander und etablieren in ihrer Beziehung einen Machtgradienten, der davon abhängt, wie stark jeder in der Lage ist seine geschlechtertypische Position zu vertreten. Eine Zweierbeziehung kann dann als einigermaßen ausbalanciert gelten, wenn keiner der Protagonisten seine „Fortpflanzungsstrategie“ zur Gänze verwirklichen kann; eine Pattsituation sozusagen. Aber es besteht – auf beiden Seiten – die permanente Bereitschaft, die eigenen biologischen Bedürfnisse auf Kosten der anderen Seite in den Vordergrund zu schieben. Das ist der tief verwurzelte Machtkampf, der ständig im Untergrund eines jeden Paares „arbeitet“. Tausenderlei Gründe kann es geben, die etwas zum „Schwächeln“ des einen führen können, sodass der Andere die Oberhand gewinnt. Geschieht dies, polarisiert sich die Beziehung und es kommt im Paarleben entweder verstärkt die weibliche Fortpflanzungsstrategie zum Zuge oder die männliche.

Männliche Übermacht

Verschiebt sich die Beziehungsmacht in Richtung des männlichen Partners, nehmen Männer Verhaltensweisen an, die ihrem polygamen männlichen Fortpflanzungsmuster entsprechen. Die eigene Ehefrau oder Freundin wird sexuell dann weniger interessant; manche Männer neigen zu Seitensprüngen, zu Bordellbesuchen oder zum exzessiven Pornogucken. Ihr sonstiges Beziehungsengagement reduziert sich eklatant. Viele gehen in ihrer Arbeit auf bzw. sind eifrig dabei an ihrer Karriere zu „basteln“. Hobbies und außerhäusige Aktivitäten erreichen ein Ausmaß, das vernachlässigte Ehefrauen oft zur Verzweiflung bringt. Der Typ des beziehungsfaulen Ehemannes, der alles treiben lässt, ist ein Paradebeispiel für diese Spezies von Mann. Frauen versuchen diese Entwicklungen in der Regel mit untauglichen Mitteln zu bekämpfen: Sie machen Druck und Vorwürfe, um den Ehegatten zum Einlenken zu bewegen.
Diese Strategien sind untauglich, weil sie die Machtverhältnisse in ihrer Beziehung weiter zu ihren ungunsten verschieben…

Weibliche Übermacht

Verschiebt sich die Beziehungsmacht in die weibliche Richtung, verliert der Typ an ihrer Seite erheblich an erotischer Strahlkraft. Feministisch orientierten Leserinnen mag meine Erklärung vielleicht nicht „schmecken“, aber ich wage sie dennoch niederzuschreiben 😉 : Der sexuelle Reaktionsmodus einer Frau ist seit undenklichen Zeiten auf Männer ausgerichtet, die einen Alphamanncharakter verkörpern. Dieser Typ Mann hat die Fähigkeit Frauen zu beeindrucken und zu begeistern. Diese Supertypen „versprechen“ der weiblichen Fortpflanzungsstrategie gute Gene für den Nachwuchs. Die sexuelle Anziehungskraft dieser tollen Typen ist auch bei den meisten Frauen in der Neuzeit noch gegeben. Um sexuell richtig „abzugehen“ müssen Frauen zu einem Mann aufschauen können; jedenfalls hin und wieder. Verschiebt sich die Beziehungsmacht krass zu seinen Ungunsten, fällt der Bewunderungsfaktor auf ihrer Seite komplett weg, weil ihr Angetrauter nun von ihr als untergeordnet erlebt wird. Diese Situation blockiert ihre Sexualzentren ganz oder teilweise. Ihr Unterbewusstsein stuft ihn dann nicht mehr als geeigneten Kandidaten ein. Ein Teil von ihr wird anfangen gegen seine Anwesenheit zu opponieren, um ihn loszuwerden. Wenn ihn aber ein anderer Persönlichkeitsanteil als Versorger und als guten Ehemann schätzt, wird sie ihn „behalten“ wollen, um ihn für ihre Zwecke „auszubeuten“. Sie wird an der Ehe mit ihm festhalten, um ihre zweite Fortpflanzungsstrategie zu verwirklichen, die darauf abzielt, einen Mann als Versorger an ihrer Seite zu haben oder – auf die Neuzeit bezogen – einen guten Lebenskameraden.

Frauen, die krass in diese Richtung tendieren, legen ihre Sexualität buchstäblich „auf Eis“, um ihre Beziehung nicht zu gefährden. Sex ist dann ausgeklammert aus ihrem Leben: Mit einem anderen Mann „darf“ sie nicht und mit dem eigenen „will“ sie nicht.
Für betroffene Ehemänner ist dies natürlich eine ganz unglückliche Situation. Die meisten versuchen alles, um die Libido ihrer „frigiden“ Ehefrauen wieder in Gang zubringen. Leider bleiben sie oft erfolglos, weil sie entweder direkten Druck anwenden oder durch betont liebevolles Verhalten indirekten…

Im seelischen Untergrund solcher Ehefrauen klafft ein Riss, der nur schwer zu kitten ist, denn sie wollen den armen Kerl loswerden und gleichzeitig behalten. Diese ungünstige Gemütslage macht manche depressiv oder aggressiv. Die Persönlichkeitsstruktur einer unausgeglichenen „Zicken-Tussi“ hat manchmal hierin ihre Wurzeln. Viele Männer erkennen intuitiv den Sprengsatz in ihrer Beziehung und versuchen – wie schon angemerkt – durch allzu gefälliges Verhalten seine Detonation zu verhindern. Diese Strategie ist untauglich, verschiebt sie die Beziehungsmacht doch weiter zu seinen ungunsten und verschlimmert dadurch die Situation noch mehr…