Das Nähe-Distanz-Problem – Die Online-Beratung

Wenn stabile Beziehungen die Erotik zerstören

Karin ist eine attraktive siebenundzwanzigjährige Büroangestellte. In Bernd, 31, Ingenieur, vermögend und aus gutem Hause, hat sie endlich ihren Traumprinzen gefunden. Ein dreiviertel Jahr sind die Beiden jetzt zusammen – über Hochzeit und Kinder wurde schon ernsthaft gesprochen. Aber seit etwa zwei Monaten macht sie sich große Sorgen um ihre Beziehung, denn ihr Nähe-Distanz-Problem ist wieder da.

In stillen, grüblerischen Momenten, steigt panikartige Verzweiflung in ihr hoch und eine riesengroße Enttäuschung macht sich langsam breit. Dabei war sie sich diesmal so sicher, dass alles gut geht, weil einfach alles gepasst hat zwischen den Beiden. Aber nun ist es so wie immer: Sex ist für Karin nur am Anfang einer neuen Liebe toll, da kann sie nicht genug kriegen, aber dann, nach drei oder vier Monaten, lässt ihr Verlangen nach und wird weniger und weniger…

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Wenn sie allein ist, ist sie oft scharf…. Foto: © Stefan Weis/fotolia.com

Paradoxerweise schwirren ihr oft sexuelle Gedanken im Kopf herum, wenn sie alleine in ihrer Wohnung ist. Dann malt sie sich aus, was alles sein könnte, wenn er jetzt hier wäre… Ist es dann abends soweit, verspürt sie anfangs auch noch Lust, aber später, wenn seine Erregung stärker wird und stärker, fällt ihre eigene in sich zusammen wie eine Seifenblase, und das war’s dann.

Manchmal hatte er in seiner Hochstimmung ihren innerli chen Absturz nicht bemerkt und weiter gemacht. Schnell wurde der Sex ihr unerträglich – ja geradezu widerwärtig –, und mit heftigen Abwehrbewegungen hatte sie ihn fort von sich geschoben und ultimativ ein Aufhören gefordert…

Diese unglücklichen Szenen vor Augen, fing sie mit der Zeit an, Zärtlichkeiten generell aus dem Wege zugehen, um sein Verlangen nach mehr nicht unnötig zu provozieren. Natürlich reagierte ihr Freund verstört und konsterniert, weil er das alles nicht begriff… Und Karin begreift sich ja auch selber nicht; sie kann nicht verstehen, warum sie die Liebe nicht so genießen kann, wie alle Anderen auch. In einem schlauen Buch hat sie etwas von einem Nähe-Distanz-Problem gelesen und in der beschriebenen Problematik sich wieder erkannt…

Karin hatte schon früh ihre ersten Sexualkontakte und so Erfahrungen mit einer ganzen Reihe von Männern gesammelt. Es war bei ihr aber immer dasselbe: Toller Sex am Anfang, lustlos schon nach kurzer Zeit. Das Nähe-Distanz-Problem hat alle ihre Beziehungen kaputt gemacht. Nur einmal war es anders, da hatte das Nähe-Distanz-Problem keine Rolle gespielt:

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Der dort sollte es sein……………………. Foto: © Dmitry Bairachnyi/fotolia.com

Als Zweiundzwanzigjährige war sie mit ihrem Tennislehrer liiert, zwei Jahre lang. Eine verhängnisvolle Affäre, denn der war verheiratet und nicht bereit sich zu trennen; sie war todunglücklich, aber auch total verschossen. Über nachlassende sexueller Lust brauchte sie sich zu keinem Zeitpunkt beklagen; ihr Nähe-Distanz-Problem existierte einfach nicht.

Rückblickend meint sie, dass sie an der Sache damals sicherlich kaputt gegangen wäre, wenn nicht alles abrupt ein Ende gefunden hätte: Von heute auf morgen war der Mann fort, zurückgekehrt in die Staaten, in seine alte Heimat…Sie selbst hätte niemals die Kraft gehabt, dem Ganzen ein Ende zusetzen.

 

Nähe-Distanz-Problem und Kindheit

Das Nähe-Distanz-Problem wird verständlich, wenn man einiges über die psychosexuelle Entwicklung des Menschen weiß: Ein jeder von uns hat seine ganz bestimmen Neigungen und Vorlieben, was sein Liebesleben anbelangt. Diese Präferenzen beziehen sich einerseits auf die Sexualpartner, die einem besonders anmachen, andererseits haben sie mit gewissen Umständen und Praktiken zu tun, die den Sex besonders prickelnd machen.
Diese individuellen Liebesmuster setzen sich zusammen aus ererbten Veranlagungen, die in den Genen gespeichert sind, und gewissen Verhaltensweisen und Vorlieben, die in der Kindheit angelegt werden.
Psychologen gehen davon aus, dass die relevante Zeitspanne für diese Entwicklungsschritte zwischen dem dritten und dem achten Lebensjahr liegt. In diesem Zeitraum generiert sich das CET eines Menschen – sein zentral erotisches Thema. Dieses CET stellt eine Art Skript dar, das ganz spezifisch auf das Individuum zugeschnitten ist; es ist ein erotisches Drehbuch, das umgesetzt einen maximalen Lustgewinn ermöglicht.
Kindheitserlebnisse die das CET prägen müssen nichts mit Sexualität zu tun haben – und haben es meistens auch nicht. Erst um den Zeitpunkt der Pubertät herum, wenn die hormonellen Einflüsse den Weg bahnen, erwacht das CET aus seinem Dornröschenschlaf – manchmal aber auch erst sehr viel später.

Internet hat alles zu bieten

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Foto: © Natallia Vintsik/fotolia.com

Geraten Erwachsene nie in erotische Situationen, die ihr CET voll anspringen lassen, wissen sie oft zeitlebens nicht, welche geheimnisvollen Lüste tief in ihrem Innern schlummern.

Heutzutage – im Zeitalter der Internet-Pornografie –, hat jeder online die Möglichkeit alle erdenklichen sexuellen Spielarten kennen zulernen und so auch auf sein individuelles CET zu stoßen.

Manche dieser zentral erotischen Themen sind so dominant und eingleisig, dass Betroffene Sexualität nur unter genau diesen definierten Bedingungen erleben können. Alles was etwas davon abweicht, lässt einen genügend starken Erregungsaufbau nicht zu. Das ist für jene Individuen ganz besonders tragisch, die ausschließlich sexuelle Energien aus Praktiken beziehen, die sie mit dem Gesetz in Konflikt bringen…

Soziale Umwelt und sexuelle Vorlieben

Kinder werden unbewusst während einer sensiblen Entwicklungsphase auf Lebensumstände oder Ereignisse in ihrer sozialen Umwelt geprägt. Diese erotischen Fixierungen sind so mannigfaltig wie die Lebensumstände selber. Seelische Traumata z.B., auch wenn sie nur einmalig vorkommen, können die psychosexuelle Entwicklung mit großer Macht in eine bestimmte Richtung lenken.

Nicht oder schwer zu bewältigende Ereignisse, die ein Kind seelisch überfordern, werden zwar verdrängt, haben aber im Unterbewusstsein eine unheilvolle Präsenz. In kindlichen Phantasien und in Träumen werden diese Ereignisse, teils in abgeänderten Szenarien, immer wieder durchgespielt und bekommen durch diesen Wiederhohlungseffekt eine große gestaltende Kraft auf das noch plastische Zentralnervensystem.

Wachsen Kinder in Elternhäusern auf, die landläufig als normal gelten, wird ihre Liebesfähigkeit und ihr sexuelles Reaktionsschema auch dem entsprechen, was man bei uns als normal empfindet. Besondere familiäre Konstellationen aber – nicht unbedingt traumatische oder krass anormale – können bei Kindern Liebesmuster erzeugen, die sie im Erwachsenenalter in die Bredoullie bringen. Ursprungsfamilien die diesen Kriterien entsprechen, hat es schon immer zur Genüge gegeben und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass viele Erwachsene, die man getrost normal nennen kann, Persönlichkeitsanteile besitzen, die in bestimmten Situationen nachteilig sind.

 Mit anderen Worten: Jeder von uns hat so seine ganz spezielle, kleinere oder größere Neurose

Nähe-Distanz-Problem und Zuneigung

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Traurig…  Foto: © Anja Greiner Adam/fotolia.com

Karin ist in so einem Elternhaus aufgewachsen. Sie ist die jüngere von zwei Geschwistern; Monika, die Große, ist sieben Jahre älter als sie. Im Alter von sechs Jahren musste sich Karin mit einer drastischen Lebensumstellung arrangieren: Ihr über alles geliebter Daddy verließ die Familie und verheirate sich kurze Zeit später wieder aufs Neue. Ihre Mutter hatte die Trennung lange Zeit nicht verkraftet und litt immer wieder unter depressiven Verstimmungen, die es oft nicht zuließen, die beiden Mädchen so zu versorgen, wie es nötig gewesen wäre…

Der Vater kümmerte sich um seine beiden Töchter so gut es eben ging; allzuviel Zeit aber vermochte er nicht aufzubringen. Kurze Zeit später wurde seine neue Frau schwanger und brachte einen Sohn zur Welt; ein elfjähriger Junge aus ihrer ersten Ehe lebte da bereits bei ihnen. Diese ungünstigen Beziehungskonstellationen trafen die kleine Karin ganz besonders hart. War die Mutter unpässlich, weil sie gerade an einem depressiven Schub litt, übernahm die ältere Schwester die Mutterrolle – oftmals mehr schlecht als recht.

In der neuen Familie ihres Vaters erging es ihr nicht viel besser. Die Zweitmutti war zwar recht liebevoll zu der Kleinen, viel Zeit hatte aber auch sie nicht. Der Säugling und ihr Großer, der auf die Ankunft des Babys mit eklatanten Verhaltensauffälligkeiten reagierte, beanspruchten ihre Zeit zur genüge. Karins kindliche Bedürfnisse nach Beachtung und Aufmerksamkeit waren dementsprechend groß. Lange Jahre bemühte sie sich immer und immer wieder, kleine Zipfel Liebe und Anerkennung zu erhaschen…

So wurde schließlich die Sehnsucht geliebt zu werden, zu einem dominanten Charakterzug ihrer Persönlichkeit. Da Karin intelligent war und sehr gute Schulnoten nach Hause brachte, konnte sie auf diesem Feld ihrem ausgehungerten Ego Pluspunkte verschaffen. Im Beruflichen war es später ähnlich: Fleiß, Geschick und Engagement verhalfen ihr zu einer beachtlichen Karriere – und optisch war sie einfach umwerfend; Männer zog sie deshalb an wie ein Magnet…

Mangel ist beim Nähe-Distanz-Problem der Motor des CET

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Links ist ein unglückliches Mädchen und rechts dasselbe 15 Jahre später. Foto: © prudkov u. © Artem Merzlenko/fotolia.com

Aber die emotionale Schmalkost, die die kleine Karin über lange Jahre vorgesetzt bekam, schlug sich auf verschlungenen Wegen in ihrem Gehirn nieder, und justierte die Schräubchen ihres Liebesmusters. Das Sehnen nach Liebe – über große Zeiträume ihrer Kindheit traurige Realität – wurde zum dominanten Element ihres CETs. Nur bei einem Mangel an Nähe und Zuwendung – der immer dieses unselige Sehnen im Gefolge hat – läuft ihr erotischer Motor auf vollen Touren (Anmerkung: Natürlich sind diese Effekte auch bei Personen wirksam, die nicht mit einem Nähe-Distanz-Problem behaftet sind).

Die schmerzliche Empfindung des Wenig-Geliebt-Werdens wird durch das CET bei ihr in erotische Energie verwandelt. Man könnte deshalb ein Nähe-Distanz-Problem auch als stark abgeschwächte Form des Masochismus bezeichnen. Sexuelle Lust stellt sich bei Karin immer nur dann verlässlich ein, wenn sie in einer Beziehung steckt, bei der ihr Partner weniger liebt als sie. Unter diesem Blickwinkel wird verständlich, warum das Nähe-Distanz-Problem bei ihrer Affäre mit dem Tennislehrer keine Rolle gespielt hat: Die stark unausgeglichene Beziehung hat zu keiner Zeit jenen Grad an Verlässlichkeit und Sicherheit erreicht, der nötig gewesen wäre, ihr Nähe-Distanz-Problem zu aktivieren.

Bei neuer Liebe ist es anfangs ähnlich…

Aus ähnlichen Gründen hat in der Anfangszeit einer neuen Liebe ein Nähe-Distanz-Problem kaum eine Chance zur Entfaltung: Unsicherheit, geringe Vertrautheit der Partner und dieser frischverliebte Zustand auf Wolke sieben schaffen ein emotionales Klima, in dem auch Individuen mit einem Nähe-Distanz-Problem sexuell gut funktionieren können. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, dieses Wort von Hermann Hesse scheint auf solche Menschen ganz besonders gut zu passen. Dieser wundervolle Zauber verschwindet aber mit der Zeit und mit ihm Aufregung, Anspannung und Unsicherheit – wenn Nachhaltigkeit und unverbrüchliche Liebe Einzug in die neue Verbindung gehalten haben.

Dann ist Nähe da und Geborgenheit; dann fühlt man sich seelisch angekommen und daheim. Auch Personen mit einem Nähe-Distanz-Problem können solche Phasen geniesen, entspricht es doch der tiefsten Sehnsucht ihres Ichs bedingungslos geliebt zu werden – einerseits. Andererseits können diese Situationen manche auch überfordern, weil ihr Innerstes nicht daran gewöhnt ist. Aber immer leidet der Sex, weil Geborgenheit, Nähe, Harmonie und ein liebevolles Angenommenwerden bei ihnen die erotischen Empfindungen abtöten. Ist das Sehnen weg und das Bangen, das Warten und das Fiebern, und ist alles so anders, wie es damals in ihrer Kindheit war – ist auch die Leidenschaft weg – wie wenn es sie niemals gegeben hätte…

Weil die Typen sich zerreißen ist sie so

Erotik

Karin ist eine sexy Lady….Foto: © ParisPhoto/fotolia.com

Karin hatte als attraktive Lady noch nie groß Probleme Männer für sich einzunehmen. Im Gegenteil: Alle waren sie immer stark bemüht und rissen sich darum ihre Wünsche zu erfüllen – um sie binden und zuhalten. Personen mit einem Nähe-Distanz-Problem können aber durch so etwas ganz schnell übersättigt werden…

Dann starten die berühmten Teufelsräder: Weil sie mit Liebe „zu sind” und gesättigt, haben sie auch keine große Lust mehr auf Sex. Verliebte Männer fangen dann an durchzudrehen und legen ihren Traumfrauen die Welt zu Füßen, damit ihr Motor wieder anspringt. Aber damit drehen sie diesem Motor die Benzinzuführ nur noch weiter ab.

Karin schaute dann immer auf ihre Gefühle und stellte fest, dass sie zuwenig waren um weiter zumachen… Aber mit ihrem Bernd ist es ihr diesmal so wichtig, weil sie sich Familie mit ihm vorgestellt hat und Kinder, und deshalb leidet sie auch so…

 

Etwas Evolutionsbiologie…

Die biologische Entwicklung der Spezies Mensch hat der Sexualität neben der Fortpflanzung noch eine zweite Rolle zugedacht: Sex und Erotik sollen Paare nämlich auch zusammen halten. Diese Funktionalisierung erkennt man gut am weiblichen Sexualverlangen, das auch in denjenigen Zyklusphasen gegeben ist, in denen Schwangerschaften ausgeschlossen sind. Hierbei wird Sexualität dazu verwendet Nähe und Bindung herzustellen.

Diese psychobiologische Funktion von Sex und Erotik bringt Frauen mit einem Nähe-Distanz-Problem erst recht in die Bredouille oder ist sogar für viele der eigentliche Auslöser eines Nähe-Distanz-Problems. Wie schon erwähnt ist unser Fallbeispiel Karin an karge emotionale Kost gewöhnt und dadurch auch viel schneller abgesättigt und übersättigt, wenn Männer ihr ihre ganze Liebe und Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Eine weitergehende Vertiefung der Bindung – durch Sex und Erotik – erscheint dann überflüssig.

Aussöhnung mit innerem Kind kann hilfreich sein

Um keine Missverständnisse aufkommen zulassen: Diese seelischen Abläufe sind, anders als es jetzt in der Analyse klingt, unbewusst und absichtslos. Keiner der Betroffenen ist deshalb in der Lage, durch ein Wissen über diese Mechanismen, deren Auswirkungen zu beeinflussen. Wissen über die tieferen Zusammenhänge kann jedoch helfen, die Selbstakzeptanz Betroffener zu verbessern. Was einer Aussöhnung mit dem inneren Kind gleichkommt, da Individuen mit diesen familiären Hintergründen immer die Vorstellung entwickeln, nicht sonderlich viel Wert zu sein.

Sind Frauen mit einem Nähe-Distanz-Problem in der Lage sich so anzunehmen wie sie sind (und damit ist die Gesamtpersönlichkeit gemeint, nicht nur der Teilaspekt Sexualität), werden psychologische Rahmenbedingungen geschaffen, die zur Nachreifung ihrer Persönlichkeit führen können. Im Zuge einsetzender Wandlungen ist es denkbar, dass die drastischen Abfälle ihres Sexualverlangens in stabilen Langzeitbeziehungen etwas abgemildert werden.

Casanova hatte Nähe-Distanz-Problem

Macho

Auf der Jagd…………. Foto: © Peter Atkins/fotolia.com

Natürlich können auch Männer von einem Nähe-Distanz-Problem betroffen sein, wenn sie in kühlen und sterilen Elternhäusern aufwachsen mussten. In krassen Fällen sind Männer mit dieser Problematik vollständig liebes- und bindungsunfähig. Aber ihr starker Drang nach Sex wird dadurch natürlich nicht aufgehoben. Exemplare dieser Gattung – die das gewisse Etwas besitzen – ziehen deshalb zeitlebens von einer zur andern, da eine neue Eroberung schon nach kurzer Zeit ihren erotischen Reiz für sie verliert.
Der Italiener Giacomo Casanova dürfte der Berühmteste dieser Spezies gewesen sein. Männer mit milderen Formen eines Nähe-Distanz-Problems können zwar Beziehungen und Ehen eingehen, sind aber meist nicht in der Lage, ihren Frauen Wärme und Geborgenheit zu geben.

        Nähe-Distanz-Problem geht nicht weg

Es gibt keine psychologische Methode, mit der es möglich wäre, einen Menschen mit einem Nähe-Distanz-Problem in eine Person zu verwandeln, die stark nähebedürftig ist. Kühle Elternhäuser oder solche mit zu wenig Zeit für den Nachwuchs, dienen über lange Zeiträume dem plastischen und unreifen kindlichen Gehirn als soziales Modell. Dieses Bild schlägt sich in eine spezifische Verdrahtung und Verschaltung von Nervenbahnen nieder, die das CET eines Menschen konfigurieren Es ist klar, dass mit nichts auf der Welt diese Entwicklungsgeschichte umgekehrt werden kann.

Umso wichtiger ist es, dass Menschen mit einem Nähe-Distanz-Problem im Rahmen einer Sexualberatung Aufklärung erfahren. Wissen um die Ursache dieser Problematik kann, wie schon erwähnt, den Leidensdruck vermindern, da Betroffene erkennen, dass es nicht in ihrer Macht liegt, diese unerfreuliche Situation zu verändern. Es geht hier m. E. darum, betroffenen Frauen Wege aufzuzeigen, um mit ihrem Nähe-Distanz-Problem besser umgehen zu können. Häufig ist es nämlich so, dass eine ungünstige Einstellung dieser Personen bzw. ein unglückliches Interagieren des Paares – eine Nähe-Distanz-Problematik noch erheblich verschärft.

Dieser Selbstverstärkermechanismus ist es oft, der, am Ende einer unglücklichen Entwicklung, jede körperliche Annäherung eines Paares verhindert. Verhaltensanweisungen im Rahmen einer Verhaltenstherapie, therapeutische Hausaufgaben sozusagen, können manchmal diese neurotischen Abwehrmechanismen außer Kraft setzen…

Auch im Rahmen einer Beratung kann es gelingen, Männern Wege aufzuzeigen, wie sie den Druck auf ihre Partnerin verringern können. Dies kann erstaunliche Effekte bewirken und manchmal sexuelle Bedürfnisse auf Seiten der inappetenten Ehefrauen auslösen, die man so nicht für möglich gehalten hätte. Aber das werden eher Ausnahmen bleiben, denn generell sind ausgeprägte Nähe-Distanz-Probleme schwer zu beeinflussen.
English version: The problem with closeness and distance