Warum Reden nicht hilft – Die Online-Beziehungsberatung

Reden ist Gold! Diese Weisheit ist nicht immer gültig

Ist eine Ehefrau mit ihrer Beziehungssituation unglücklich, weil ihre bessere Hälfte sich in einen beziehungsfaulen Ehemann verwandelt hat – ist guter Rat teuer. Sie fühlt sich vernachlässigt, hintange- stellt und ungeliebt – während ihr Ehegespons in seinen zahlreichen Hobbys aufgeht. „Du musst endlich mit ihm darüber reden, so kann das doch nicht weitergehen, du gehst ja kaputt dabei – hau endlich einmal ordentlich auf den Tisch!” ist der Rat einer mitfühlenden Freundin.

Reden oder nicht

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Nudelholz… ©W. Heiber Fotostudio / fotolia.com

Wenn die Ehefrau in ihrer Not dann den großen Knüppel auspackt, kann es im ersten Moment sein, dass der Gescholtene erschrickt und Einsicht zeigt und Besserung gelobt. Aber leider – die Besserung hält nicht lange vor und der Nachlässige ist eins-zwei-drei, wieder im alten Fahrwasser. Also wiederholt sie das Donnerwetter – lautstärker und mit noch mehr Nachdruck. Sie ahnen es bereits: Der Effekt ist wieder unbefriedigend und zusätzlich zeigt der Bockige Trotz und Widerstand, obwohl er zu Anfang noch Verständnis aufgebracht hatte.

In Ratgeber-Büchern ist zu lesen, dass Reden das A und das O einer Beziehung ist und Paare den richtigen Kommunikationsstil lernen müssten, um Wünsche vorzubringen und Konflikte lösen zu können. Dies ist einerseits genau so richtig, wie es andererseits genauso falsch sein kann. Wie kann man so ein Paradoxon erklären?

Wenn es darum geht in einer Sachfrage Kompromisse zu finden, mit denen beide gut leben können, ist ein nicht verletzender vorwurfsfreier und erwachsener Kommunika- tionsstil das Werkzeug der Wahl.

                                      Er bockt

Bei bestimmten Problemstellungen jedoch führt das Ausdrücken von Wünschen und Bedürfnissen an den Partner meist nicht zum Erfolg – ja, es kann sogar sein, dass das Problem sich dadurch noch verschlim- mert. Diese Problematik ist unter Paaren so weit verbreitet, dass es geboten erscheint, dieses Phänomen etwas näher zu beleuchten:

Gewöhnlich hat man folgende Situation: Ein Beschuldigter hat schon länger eine Gefühlslage einge- nommen, die sein Verhalten so oder so gestaltet. Sein Ankläger hat daran meist einen unbewussten Anteil. Aus nachvollziehbaren Gründen ist er mit der Beziehungsführung seines Partners nicht einverstan- den und möchte, dass dieser eine Änderung herbeiführt.

Er sagt sich, wenn er oder sie doch nur wollen würde – alles könnte doch so einfach sein. Was er dabei vergisst ist die Tatsache, dass einem jeden Wollen auch eine gefühlsmäßige Basis zugrunde liegen muss. Fehlt diese, hängt das Wollen sozusagen in der Luft und die erwünschte Verhaltensweise wird mit der Zeit wieder eingestellt – weil es Kraft und Energie kostet, sich permanent unauthentisch zu verhalten.

Diese Phänomene haben mit den Besonderheiten unseres menschlichen Gehirns zu tun. Auf der Seite: Die Großhirnhälften steuern das Verhalten unterschiedlich  gehe ich vertiefter darauf ein.

Oft macht Reden alles schlimmer

Aber kommen wir jetzt wieder zu unserer vernachlässigten Ehefrau zurück, die sich ihren Mann gegenüber beschwert, dass er sie nicht mehr genug liebt und dass es ihr an Aufmerksamkeiten mangelt. Wie bereits erwähnt, hilft so eine Beschwerde nicht nur nichts – sie ist obendrein sogar im höchsten Maße kontraproduktiv – eigentlich unabhängig vom verwendeten Kommunikationsstil. Die Frau könnte für sich selber ruhig davon ausgehen, dass ihre Einschätzung zutreffend ist, aber ein extra Hinweis auf ihr Problem, stürzt ihren Mann in ein nicht zu bewältigendes Dilemma.

Denn: Das Wissen, dass der Beziehungspartner ein emotionales Problem mit einem selber hat, stellt keineswegs eine Voraussetzung dar, die gegeben sein muss, um das Problem lösen zu können. Ja, sonderbarer Weise, stellt sich dieses Wissen selbst einer Problemlösung in den Weg. Wenn der Mann weiß, dass seine Frau sich nicht genug geliebt und geschätzt fühlt, nimmt dieses Wissen dem Mann die Freiheit, von sich aus unbefangen auf seine Frau zugehen zu können. Genau das aber würde sich seine Frau von ihm wünschen.

Er kann sich nicht unterordnen

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So viel Unterordnung
ist selten 🙂 ©bilderstoeckchen / fotolia.com

Die Psychodynamik so einer Situation ist paradox und geprägt von der Tatsache, dass der Ehemann, der aufgrund seiner geringeren Bedürfnislage in diesem Fall der Ranghöhere ist, sich seiner rangniedereren Ehefrau unterordnen müsste – um ihren Forderungen nachkommen zu können. Diese Situation würde ihm aber seinen Rang kosten und deshalb setzt sein Unterbewusstsein, das hier eine Art Wächterfunktion hat, der Sache einen Widerstand entgegen.

Diese tief in uns eingebetteten Verhaltens- und Motivationsschienen haben wir mit vielen Säugetieren, Reptilien und Vögeln gemeinsam. Wir Menschen besitzen – besonders die Männer – allgemein eine starke Neigung, in den sozialen Gruppen, in denen wir uns bewegen, Aufmerksamkeit, Ansehen, Geltung und Macht zu erlangen. Diese Bedürfnisse sind so allgegenwärtig und oft so fein und nuanciert in unsere zwischenmenschlichen Interaktionen eingewoben, dass sie uns an uns selber kaum auffallen.

Bei den lieben Mitmenschen springen uns diese Tendenzen schon eher ins Auge und wir ärgern uns dann über deren Profilneurose und Geltungssucht. Die neuronalen Schaltkreise, die in unserem Gehirn die Weichen für solche Verhaltensweisen stellen, sind Dutzende von Millionen Jahre alt – ja wahrscheinlich sogar noch viel, viel älter.

Jeder will nach oben

Wenn Menschen sich zusammentun, um sich mit gemeinsamen Themen zu beschäftigen – sei es am Arbeitsplatz, im Kaninchenzuchtverein, im Freundeskreis oder in einer großen politischen Partei, setzen unbewusste Prozesse der gegenseitigen Beeinflussung ein, um eine Rangordnung zu etablieren oder aufrecht zu erhalten. Da praktisch unser gesamtes Sozialverhalten von diesen Bestrebungen durchsetzt ist, könnte man das Streben des Menschen nach Rang und Ansehen als das universale menschliche Leitmotiv schlechthin bezeichnen.

Unter diesem Aspekt wird es verständlich, dass, wie oben erwähnt, ein Individuum eine einmal eingenom- mene dominante Position nicht freiwillig wieder aufgibt; auch in einer Zweierbeziehung nicht. Soll ein Beziehungsdominanter sich nun nach den Wünschen seiner Frau richten, wird sein Unterbewusstsein dagegen ein Veto einlegen. Dieses Veto kommt in Gestalt einer totalen Unlust einher, die sich spontan einstellt um die Sache abzuwürgen.