Frage zum Thema „sexuelle Rivalität“

Warum bringen Rivalität und Konkurrenz die Libido auf Trab?

Herr Paul B. schreibt: „Herr Ittner, in Ihrer Ex-Zurück-Strategie erwähnen Sie, dass die Frau von Klaus K. durch ihre Rivalität mit der Nebenbuhlerin ihre Gefühle für den eigenen Ehemann wieder gefunden hat. Wie kann man sich das auf die Sexualität übertragen vorstellen? Vorher reagierte sie ja körperlich nicht sonderlich stark auf ihren Ehemann.“

Etwas Evolutionsbiologie zum Thema „Rivalität“

Um die Frage vom Paul zu beantworten, muss ich evolutionsbiologische Erklärungen bemühen, weil psychologisches Wissen allein nicht ausreicht, wenn Verhaltensweisen beleuchtet werden sollen, die im Kontext mit sexueller Rivalität stehen; d. h. mit Situationen, in denen Paare einen tatsächlichen oder vermeintlichen Konkurrenzdruck Dritter ausgesetzt sind.

Sexuelle Reaktionsbereitschaft und Libido sind bei Frauen im Allgemeinen sehr stark von äußeren Faktoren abhängig. Leben Frauen in einer Langzeitbeziehung, aus der bereits Kinder hervorgegangen sind, kann dies – unter gewissen Umständen –, sehr stark dämpfend auf ihr Sexualverlangen wirken. Um diese Effekte zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, dass die Libido des weiblichen Geschlechts, evolutionsbiologisch gesehen, „zwei Ziele verfolgt“: Ziel eins dient der Erzeugung von Nachwuchs; Ziel zwei ist darauf ausgerichtet, einen Mann gefühlsmäßig zu binden. Letzteres kann man daran erkennen, dass Frauen zum Sex motiviert sind, auch wenn es gar nicht zu einer Schwangerschaft bei ihnen kommen kann. Diese Situation ist während der Zyklusphasen sogar die häufigere.
Biologen sprechen daher bei uns Menschen von einer Funktionalisierung der weiblichen Sexualität, die sich im Laufe unserer Evolution ergeben hat.

Liebe und sexuelles Begehren sollen nämlich schon seit Jahrmillionen die Paare zusammenhalten – um die Versorgung des Nachwuchses zu gewährleisten. Dies war die evolutionsbiologische Triebfeder, die zur Herausbildung unserer Liebesgefühle geführt hat. Seit entwicklungsgeschichtlichen Zeiträumen war und ist es für Frauen bedeutungsvoll, einen Mann an ihrer Seite zu haben; in Urzeiten aber nur solange, wie sie mit dem Stillen eines Säuglings gehandicapt waren. Stillende konnten nämlich bei der Nahrungssuche nur eingeschränkt mit Anderen mithalten, deshalb spielte ein Beschützer und Versorger für sie eine so große Rolle. Urzeitmütter stillten vermutlich 3 bis 4 Jahre – genauso wie es die Frauen der Naturvölker heute noch tun.
Waren die Kinder einmal abgestillt, entfiel die beschwerliche Notwendigkeit sie ständig mit herumzuschleppen; die Frauen wurden wieder frei und autonom und konnten die Anderen bei ausgedehnten Sammelaktionen begleiten. Männer brauchten diese Frauencrews nicht unbedingt an ihrer Seite, weil die geballte Frauenpower selber in der Lage war, sich in gefährlichen Situationen zu behaupten.

Fazit des oben Gesagten ist, dass Liebesgefühle und Leidenschaft eine zeitliche Begrenzung haben und daher das Liebesmuster des Menschen in Richtung einer seriellen Monogamie tendiert. Wird der von der Natur vorgegebene Zeitrahmen für Beziehungen erheblich überschritten, treten auch in modernen Zeiten Probleme mit der Liebe auf. Bei vielen Frauen kommt es zu einem starken Einbruch des sexuellen Begehrens, wenn ihre Beziehung schon lange läuft und Kinder daraus hervorgegangen sind.
Die soziale Absicherung, die für Frauen samt Nachwuchs in modernen Zeiten existiert, verleiht ihnen Sicherheit und Autonomie – jedenfalls teilweise. Die Erfolge der Frauenbewegung verstärken diesen Trend: Männer werden immer entbehrlicher und verlieren an Bedeutung. Das biologisch bedingte Abflauen der weiblichen Libido – nach einer gewissen Paarzeit – wird dadurch noch verstärkt (Nicole K., die Protagonistin aus meiner Expartner-Zurück-Strategie-Geschichte ist ein klassisches Beispiel dafür).

Frauen in der Urzeit tickten anders

Anders die Urfrau in grauer Vorzeit: Verlor sie in einer sensiblen Periode ihren Gefährten, stand das Überleben ihres Nachwuchses auf der Kippe. Verlieren konnte sie einen Mann damals durch Krankheit, Krieg, einen Jagdunfall – oder durch eine andere Frau. Was Letzteres anbelangte, konnte sie es sich nicht wirklich leisten, die erotisch Gelangweilte zu spielen, weil ein Umsteigen von ihm auf eine Andere die volle Katastrophe für sie war. Solange sie ihn brauchte, war sie sehr wahrscheinlich sehr, sehr aufmerksam zu ihm gewesen – damit er nicht auf Abwege geriet…

Auch heute noch reagieren viele Frauen – aus oben genannten Gründen –, mit Eifersucht und einem Anstieg ihres sexuellen Verlangens, wenn eine vermeintliche oder tatsächliche Rivalin auf der Bildfläche erscheint; natürlich nur dort, wo der Mann an ihrer Seite noch eine Bedeutung für sie hat. Stellen sich wegen einer Rivalität Verlustängste bei ihr ein, können selbst in langweiligen und eingeschlafenen Beziehungen wieder starke Emotionen an die Oberfläche kommen.
In diesem evolutionsbiologischen Licht ist das Verhalten von Klaus K.s Frau Nicole zu sehen, die durch die Anwesenheit der Rivalin Katja einen großen Schub ihrer Libido erfahren hatte. Hätte es diese ominöse Katja nicht gegeben – niemals wären ihre Gefühle für Klaus K. zu solchen Dimensionen angewachsen.

Spermienkonkurrenz als Ausdruck männlicher Rivalität

Schimpansen, unsere nächsten Verwandten, sind promiske Tiere. Brünstige Schimpansinnen sind wahrhaft sexuelle Ungeheuer, die sich wahllos mit den Männchen ihrer Gruppe paaren. Gorillas, die größten und stärksten unserer äffischen Verwandtschaft, sind da ganz anders: Der Alphaboss der Gruppe, der alte Silberrücken, hat den alleinigen Zugriff auf die Weibchen (Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel). Durch seine physische Überlegenheit eingeschüchtert, lassen die Rangniederen die „Finger“ von den Weibchen. Der männliche Konkurrenzdruck ist bei dieser Fortpflanzungsvariante vor der Kopulation wirksam.
Beim Schimpansen ist das völlig anders: Jeder der will darf auch. Manchmal stehen die Männchen Schlange um eine Schimpansin begatten zu können. Die Auslese bzw. die Rivalität, erfolgt bei diesem Fortpflanzungssystem im Reproduktionskanal des Weibchens – durch Spermienkonkurrenz. Große Ejakulatmengen und vitale Spermien geben den Ausschlag bei diesem Wettrennen; Schimpansen besitzen daher die größten Hoden aller Primaten.

Da Gorillas ihre potentiellen Konkurrenten physisch beherrschen, war kein gesteigerter Evolutionsdruck auf die Entwicklung besonders großer Hoden gerichtet. Das Verhältnis Hodenvolumen zu Körpergewicht ist bei ihnen eklatant kleiner als bei den promisken Schimpansen.
Wir Menschen wiederum haben einen deutlich größeren Hodenvolumen/Körpergewicht Quotienten als der Gorilla. Dies ist ein sehr starkes Indiz dafür, dass in der Entwicklungslinie zum Homo sapiens Frühformen existierten, bei denen Spermienkonkurrenz als Ausdruck männlicher Rivalität eine Rolle gespielt hat.

Diese evolutionären Mechanismen beherrschen heutzutage immer noch das Tun und die Motivation der Herren der Schöpfung. Evolutionspsychologen haben herausgefunden, dass die Libido und das Ejakulationsvolumen drastisch ansteigen, wenn Männer Unsicherheiten bezüglich ihrer Partnerinnen erleben bzw. wenn sie die Vorstellung entwickeln, dass vielleicht ein Konkurrent seine Hand im Spiel haben könnte. Große Spermamengen und mehrere sexuelle Aktionen in Folge, sollen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eventuell im Reproduktionskanal vorhandenes Fremdsperma ausgeschwemmt wird.

Nutzen Sie die evolutionären Schienen der Rivalität

Wenn sex- oder beziehungsfaule Ehemänner wieder auf Touren kommen sollen, könnten sich frustrierte Ehefrauen dieser evolutionären Mechanismen bedienen – vorausgesetzt sie schaffen es, durch eine gute Strategie für Unsicherheit und Aufregung zu sorgen 😉 .