Geschlechtsunterschiede – evolutionäre Psychologie

Eine Theorie zur Unterschiedlichkeit der Geschlechter

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Meist läuf der Kampf subtiler ab… ©Innovated Captures/ fotolia.com

Führen die Geschlechter einen Krieg gegeneinander? Reizthemen wie Geschlechterkonflikt, Emanzipation, Unterdrückung der Frau, sexuelle Gewalt usw. erinnern daran, dass zwischen den Ge- schlechtern ein gehöriges Maß an Zündstoff existiert.

Der Mann–Frau–Konflikt in seiner sozialpolitischen Dimension lässt sich zurückführen auf kulturelle Entwicklungen, die vor rund Zehntausend Jahren ihren Anfang nahmen, als die ersten Menschen sesshaft wurden und anfingen Ackerbau und Viehzucht zu betreiben.

 

Mann und Frau sind unterschiedlich

Doch darüber hinaus existiert zwischen Mann und Frau ein biologisches Konfliktpotenzial, das auf der tiefsten seelischen Ebene angesiedelt ist und vom Unterbewusstsein aus die Motivation und das Verhalten beeinflusst. Männer und Frauen ziehen deshalb – biologisch betrachtet – nicht am selben Strang und diese Unterschiedlichkeit dürfte bis auf die Anfangszeit zurückreichen, in der primitive Urorganismen die sexuelle Fortpflanzung „erfunden” haben – ein komplizierter, aufwändiger Weg zur Vermehrung, der die ungeschlechtliche Fortpflanzung einst ablöste.

Das Kennzeichen jeder sexuellen Fortpflanzung ist die Verschmelzung zweier unterschiedlicher Geschlechtszellen, der so genannten Gameten. Die befruchtete Eizelle, die dadurch entsteht, nennt man Zygote – mit ihrem Wachstum beginnt die Embryonalentwicklung. Interessant ist, dass sowohl bei Tieren als auch bei Pflanzen ein einheitliches Unterscheidungsmerkmal von männlich und weiblich existiert: die Größe der Geschlechtszellen. Sie sind bei allen weiblichen Organismen viel größer als bei den männlichen.

Das war aber sehr wahrscheinlich nicht immer so. Am evolutionsbiologischen Anfang der sexuellen Fortpflanzung, vor rund einer Milliarde an Jahren, waren die beiden Fortpflanzungszellen gleich groß: Isogameten waren es – wie wir sie heute noch bei ganz primitiven Lebensformen finden. Beide enthielten je den halben Gensatz und Dottermaterial, zur Ernährung des Embryos – dessen Entwicklung spielte sich im Wasser ab, denn zur damaligen Zeit gab es noch kein Leben auf dem Festland.

Gameten geraten in Rivalität zueinander

Nun werden hin und wieder Exemplare aufgetreten sein, die rein zufällig etwas größere Gameten produziert haben als der Durchschnitt. Diese Gameten bedeuteten etwas Gutes für die sich darin entwickelnden Embryonen – sie hatten einen besseren Start ins Leben als andere, weil sie mehr Wachstumsproviant von dem einen Elternteil mitbekommen hatten. Da dies erfolgreich war, entwickelte sich ein evolutionärer Trend in Richtung großer Gameten.

Dieser Trend hatte aber eine Begrenzung, die die Größe der Gameten nicht ins Uferlose wachsen ließ: Sehr große Geschlechtszellen kosten nämlich dem Elternorganismus eine Menge Substanz; Substanz, die ihm dann selber zum Leben fehlt und die auch nicht für die Produktion weiterer Geschlechtszellen zur Verfügung steht – was die Reproduktionsfähigkeit erheblich einschränkt. Eine Minderung der Fortpflanzungsrate ist biologisch gesehen aber äußerst schlecht; die Gene, die dafür verantwortlich zeichnen, verschwinden deshalb mit der Zeit wieder aus dem Genpool.

Diese Urorganismen befanden sich also in einem echten Dilemma: ihre Fortpflanzungszellen sollten groß und klein zugleich sein. Weil dies aber nicht machbar ist, kann man sich gut vorstellen, dass die Größe der Gameten für eine lange Zeit zwischen klein und groß hin– und herpendelte – entsprechend den beiden gegensätzlich wirkenden Selektionsdrücken. Extra kleine Gameten hatten ganz am Anfang dieser Entwicklung keine Chance sich fortzupflanzen, da sie ja nur auf normal große treffen konnten und dann der gemeinsame Dotterproviant zur Fertigung eines Embryos nicht ausreichte.

Aber nachdem manche Individuen übergroße Gameten produzierten, hatten diejenigen, die kleinere hatten, auf einmal doch die Chance, ihr Genmaterial erfolgreich weiterzugeben, wenn es ihnen gelang, einen der großen Gameten aufzuspüren und mit ihm zu verschmelzen.
Es kristallisierte sich nun – über Jahrmillionen – ein ausbeuterischer Trend heraus, der möglich wurde, weil die kleinen Gameten den biologischen Vorteil der großen zwar wettmachten, aber trotzdem dem wachsenden Embryo noch genügend Dottermaterial zur Entwicklung verblieb. Die Elternorganismen – die die kleineren Fortpflanzungszellen produzierten – waren plötzlich die evolutionären Gewinner, weil ihre Kosten an der Fortpflanzung so gering ausfielen.

Ausbeutung des Weiblichen etabliert sich

Von den kleinen Zellen konnten große Mengen „spottbillig“ hergestellt werden. Die eingesparte Energie konnte der geizige Organismus jetzt für sich selber verbrauchen oder in die Produktion weiterer Geschlechtszellen stecken – was seine Reproduktionsfähigkeit enorm verbesserte. Mit der Zeit stellte sich eine total asymmetrische Situation ein: Eine Klasse von Individuen bezahlte praktisch die gesamte Zeche, was die Vermehrung anbelangte, während der Beitrag der anderen relativ gering ausfiel.

Selbst wenn die großen Zellen ihre Ausbeutung „bemerkt“ hätten, hätten sie nicht mehr zurück gekonnt, weil die einzige Möglichkeit den Effekt umzukehren die gewesen wäre, wieder kleinere Gameten zu produzieren. Diese Strategie hätte aber in einer biologischen Sackgasse geendet, weil dadurch die Fortpflanzung ausgefallen wäre.

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Nur einer macht das
Rennen… ©koya979/ fotolia.com

Also trieben die fiesen kleinen Gameten ihr Spiel weiter: Sie wurden noch viel, viel kleiner und damit noch billiger und schafften sich außerdem einen Antrieb an, mit dem sie wie ein Torpedo durchs Wasser sausen konnten, um die aus Zwang immer größer und „teurer” werdenden großen Gameten jagen zu können. Die ausgenutzten, großen und unbeweglichen Gameten nennt man heute Eier; sie werden von allen weiblichen Lebewesen fabriziert, während die ausbeuterischen, schnellen Gameten Spermien heißen und von den Männchen stammen.

Da von den großen Eiern viel weniger auf der Welt existieren als von den winzigen Spermien, haben Männchen und Weibchen unterschiedliche Reproduktionsstrategien entwickelt, um ihre biologischen Interessen zu vertreten. Diese Verhaltens- strategien sind evolutionär entstanden und für die Unterschiede verantwortlich, die es zwischen den Geschlechtern gibt.

Männliche Tiere aller Spezies sind in der Lage Sperma in großen Mengen herzustellen, um damit eine große Anzahl von Weibchen zu befruchten – mehr Weibchen als in Wirklichkeit existieren. Daraus ergibt sich ein starker Konkurrenzdruck unter den männlichen Vertretern aller Tierarten. Je nach Tierart und männlicher Qualität kommen manche in den Genuss viele Weibchen befruchten zu können, während andere dagegen in die Röhre gucken. Das ist der Preis, den das männliche Geschlecht für seine übergroße Reproduktionsfähigkeit zu zahlen hat.

Weibchen werden wählerisch

Bei vielen Tieren investieren die Weibchen sehr stark in die Fortpflanzung. Bei manchen Arten macht sie alles alleine: Produktion riesengroßer Eier, wie z. B. bei den Vögeln; risikoreiche und energiezehrende Schwangerschaften plus aufwändiger Brutpflege, wie z. B. bei den Säugetieren; während er zu dem Gan- zen oft nur eine winzige Spermamenge beisteuert.

Da die Damen im Tierreich bei der Vermehrung so große Einsätze bringen, versuchen sie natürlich das Bestmöglichste für sich dabei herauszuschlagen, d.h. sie sind sehr wählerisch was die potentiellen männlichen Kandidaten anbelangt. Und das müssen sie auch, weil wenn sie es nicht sind und sich mit einem „Loser“ verpaaren, der schlechte Gene mitbringt, sind ihre großen Investitionen alle für die Katz. Die Evolution hat deshalb Gene in den Weibchen gefördert, die es ihnen ermöglichen, auf Qualitätsunter- schiede bei den Herren der Schöpfung richtig zu reagieren.